Der Friedhof darf auch ein Park sein

Gesellschaft

Städtische Friedhöfe werden vermehrt als Naherholungsräume genutzt: zum Picknicken, Spazieren oder für Anlässe. Das Beispiel Bern zeigt, dass das funktionieren kann.

Es ist Mittagszeit auf dem Bremgartenfriedhof in Bern: Auf den beigen Gartenstühlen, die unregelmässig verteilt zwischen den Grabsteinen im Gras stehen, essen Mitarbeitende des nahen Inselspitals ihre Sandwiches. In einer Ecke des Friedhofs grast eine Herde Schafe. Zwei Frauen spazieren den Stationen des «Besinnungswegs» entlang, der die Besuchenden dazu anregt, über Leben und Sterben nachzudenken.

Mehr ungenutzte Flächen

Die Entwicklung ist in allen Schweizer Städten die gleiche: Auf Friedhöfen werden die ungenutzten Flächen grösser, weil es viel weniger Erdbestattungen und Einzelgräber gibt als früher. 

Rund 90 Prozent der Verstorbenen werden kremiert, gut die Hälfte der Urnen wurde in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt, nennt Hansjürg Engel die aktuellen Berner Zahlen. «Die Friedhöfe erhalten durch die lockerere Belegung einen parkähnlichen Charakter. Das macht vermehrt auch eine öffentliche Nutzung der Anlage möglich», sagt der Leiter Friedhöfe der Stadt Bern beim Rundgang über das Areal im Westen der Stadt. «Dem Bedürfnis der Bevölkerung, Friedhöfe auch als Naherholungsräume zu nutzen, stehen wir offen gegenüber.»

Primär muss der Friedhof ein Ort des Gedenkens bleiben.
Hansjürg Engel, Leiter Friedhöfe Stadt Bern

Aber selbstverständlich ist auf einem Friedhof nicht alles möglich: «Primär muss hier die Totenruhe respektiert werden und der Friedhof ein Ort des Gedenkens bleiben», betont Engel. Aber kulturelle Veranstaltungen wie eine Lesung, kleinere Freilufttheater oder Konzerte mit nur unverstärkter Musik seien durchaus möglich.

Nicht toleriert werden auf dem Friedhof beispielsweise Lärm, Partys, leicht bekleidetes Sonnenbaden oder frei laufende Hunde. Engel hat aber eine Beobachtung gemacht: «Unsere Besucherinnen und Besucher haben durchaus ein Sensorium, dass auf einem Friedhofareal mehr Zurückhaltung angebracht ist als in einer städtischen Parkanlage.» Es gebe in Bern praktisch keine Nutzungskonflikte auf den Friedhöfen, sagt er. So sind die drei städtischen Friedhöfe denn auch jederzeit frei zugänglich.

Nicht nur bezüglich Nutzung verändern sich die städtischen Friedhöfe laufend. Wo früher akkurat gestutzte Rasenflächen vorherrschten und einheitliche Bepflanzung, gibt es nun Raum für Biodiversität: Igel, Füchse, Eidechsen und seltene Vogelarten tummeln sich auf dem Areal, seit mit artenreichen Wiesen, Trockensteinmauern und Wildhecken neue Lebensräume für die Tiere geschaffen wurden. 

Diese neue Art der Gestaltung ist auch deshalb möglich, weil immer weniger Menschen für ihre Verstorbenen ein einzelnes Grab wünschen. Auf gemeinschaftlichen Grabfeldern, die nach Themen gestaltet sind, haben dann die Angehörigen keinen Aufwand mit der Pflege eines Grabes, aber dennoch einen Ort des Gedenkens für ihre Lieben. 

Restaurant geplant

Der Bremgartenfriedhof soll um ein Angebot reicher werden: Beim alten  Krematorium ist ein Restaurant mit Kaffeebar unter der Federführung der  Bernischen Genossenschaft für Feuerbestattung (BGF) geplant. Sie ist Eigentümerin des Krematoriums. Es sehe grundsätzlich gut aus für die Pläne, sagt Mirjam Veglio, Geschäftsführerin der BGF, der definitive Entscheid des Verwaltungsrats stehe aber noch aus.

Der Berner Bremgartenfriedhof ist zudem ein Vorzeigebeispiel dafür, dass städtische Friedhöfe heutzutage von verschiedenen Religionsgemeinschaften genutzt werden können: Ein muslimisches Grabfeld, ein Hindu-Tempel und ein Buddha-Garten haben hier Platz gefunden, das schweizweit erste alevitische Grabfeld ist gerade in Planung.

Interessant sei, sagt Hansjürg Engel, dass gewisse Bestattungsrituale über alle Religionsgrenzen hinweg übernommen würden. In der islamischen Tradition seien Gräber eigentlich nur mit einer schlichten Holztafel gekennzeichnet. Auf dem Bremgartenfriedhof sieht man aber immer mehr Gräber, auf denen Blumen wachsen.