Grösste Schweizer Landeskirche fördert einstimmig Neuland

Kirche

Mit der neuen Phase von «Kirche in Bewegung» sollen sich Projekte etablieren können, die Kirchenferne ansprechen. Die Berner Synode hat dafür einstimmig 3.5 Mio Franken gesprochen.

Alles auf Grün geschaltet: Zum Schluss des Geschäfts unterstrich die Abstimmungstafel im Berner Grossratssaal deutlich, was die Mitglieder des Kirchenparlaments, die Synodalen, zuvor geäussert hatten. Durchs Band gab es klaren Zuspruch für einen Kredit von 3.5 Millionen Franken für drei Jahre an die zweite Phase des Projektes «Kirche in Bewegung» (KiB) der reformierten Landeskirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso) – und auch Lob für die Erarbeitung der Vorlage. Eine Einstimmigkeit, die auch im Kirchenparlament nicht die Regel ist, wie Refbejuso in einer Mitteilung festhält.

Das Geld soll kirchliche Projekte mitfinanzieren, die neuartig, originell und überraschend sind. Vorgesehen ist, dass insgesamt zehn Projekte über drei Jahre je maximal 350‘000 Franken von der Landeskirche erhalten. 20 Prozent der Projektkosten müssen aber jeweils selbst übernommen werden. Die meisten Projekte dürften aus dem Pool kommen, die in der vorangehenden ersten Phase durche den sogenannten «Erprobungsphase» initiiert wurden. Seit 2021 sind das bisher 16 Initiativen.

Übers Bisherige hinaus

Mit dem Projekt «Kirche in Bewegung» richte sich Refbejuso an bisher nicht erreichte Menschen und wolle über die «bisherige Ordnung» hinausgehen, auch etwa mit neuen Partnerschaften, sagte Synodalrat Iwan Schulthess eingangs der Diskussion. Und die geförderten lokalen Initiativen dürften ganz unterschiedlich sein: mit Neuem oder Bewährtem, Schrillem oder Diskretem und lokal oder global wirken.

Anscheinend haben die Möglichkeiten mit diesem Erprobungsfonds etwas ausgelöst.
Franziska Huber, Fachstelle Theologie Refbejuso und mitverantwortlich für «Kirche in Bewegung»

Die Sprecherinnen und Sprecher der verschiedenen Fraktionen in der Synode fanden viele lobende Worte für Vorlage. Das Herzblut der Projektleitenden imponiere und die Vorgehensweise überzeuge, zog die Finanzkommission den Hut. «Ein wertvolles Instrument» nannte es die jurassische Fraktion und hob die Unterstützung der lokalen Initativen durch Beratung und Vernetzung vonseiten Refbejuso hervor. Und die liberale Fraktion wertete speziell positiv, dass es «kein Wasserkopfprojekt» sei, sondern tatsächlich an der Basis entstehe, von Menschen vor Ort getragen.

Abenteuerweg und Blitzgottesdienst

Die bereits unterstützten Projekte von der ersten Phase sind auf der Website kircheinbewegung.ch vorgestellt. Da gibt es einen Abenteuerweg, ein Repair-Café, ein Camp für Einelternfamilien, einen Gemeinschaftsgarten, ein ambulantes Pfarramt, Blitzgottesdienste vor Wohnblocks oder ein Pfarrhaus, das zum Café, Veranstaltungsort und Co-Working-Space wurde.

Welche davon in der zweiten Phase Unterstützung erhalten werden, ist noch nicht bekannt. Aber gemäss Franziska Huber von der Fachstelle Theologie bei Refbejuso sind bereits jetzt einige Projekte bereit, sich für die Unterstützung zu bewerben und den Kriterien zu stellen. Und nicht nur das: Für die erste Phase der Unterstützung seien ihr Kollege Ralph Marthaler und sie, verantwortlich für Kirche in Bewegung, in den letzten Monaten geradezu überflutet worden mit Anträgen von neuen Initiativen. «Anscheinend haben die Möglichkeiten mit diesem Erprobungsfonds etwas ausgelöst», sagt Huber.

Breite Zustimmung dank Erfolg

Dass die Vorlage ihres Teams für die zweite Phase in der Synode auf ungeteilte Zustimmung stösst, empfindet sie als grosse Anerkennung und Wertschätzung. «Und es ist natürlich eine grosse Freude für alle Erproberinnen und Erprober selbst.» Viel Mut gegeben habe ihr auch, dass die Synode ein so komplexes und kostspieliges Geschäft mitträgt. 

Uns ist ganz wichtig, dass man auch Wirkungen erkennen kann, die gar nicht vorgesehen waren.
Franziska Huber, Fachstelle Theologie Refbejuso und mitverantwortlich für «Kirche in Bewegung»

Gewürdigt wurde im Parlament ebenso die erste Phase, die auf allen Seiten als Erfolg gilt. Diesen sieht Franziska Huber in mehreren Punkten. Dank dem Erprobungsfonds mit einem Budget von 1.2 Millionen Franken sei seit 2021 ein Netzwerk von Pionierinnen entstanden. «So konnten wir quasi dank Schwarmintelligenz ein Konzept mit breiter Akzeptanz entwickeln», sagt Franziska Huber. Weiter würden sie von Refbejuso zwar Projekte beraten, aber das übernähmen nun auch andere Mitglieder des Netzwerks selbst. Und als Erfolg bezeichnet Huber auch, dass die Projekte sehr vielfältig sind und nicht nur aus einer bestimmten theologischen Richtung kommen.

Lernen aus Fehlern

Erfolg könne zudem auch sein, wenn ein Projekt nicht die ursprünglich angepeilten Ziele erreiche, sagt die Theologin weiter. Als fiktives Beispiel nennt sie ein Projekt mit einer bestimmten Zielgruppe, das nicht wie vorgesehen auf Resonanz stösst – aber bei anderen Menschen Anklang findet. «Uns ist ganz wichtig, dass man auch Wirkungen erkennen kann, die gar nicht vorgesehen waren.» So könnten Projekte weiterentwickelt und es könne voneinander gelernt werden. Deshalb seien die geforderten Wirkungsziele für Projekte der zweiten Phase auch ziemlich offen formuliert.

Doch so sehr Franziska Huber mit «Kirche in Bewegung» quasi an einem Netzwerk von vielen «Reformatiönchen» arbeitet, hebt sie auch hervor, was die Kirche an nach wie vor Bewährtem bietet. Darunter etwa die Präsenz vor Ort: «Das dichte Filialnetz mit Arbeitenden, Zugwandten, Freiwilligen überall, gibt der Kirche eine riesige Kraft.» Und auch die reiche Tradition mit Texten und Geschichten sei eine volle Schatztruhe. Huber betont aber auch: «Wichtig ist zu erkennen, dass es nicht überall das Gleiche ist. Das Bewährte und Schützenswerte kann von Ort zu Ort etwas anderes sein.»