Er sucht nach dem idealen Klang

Kirchenmusik

Um sein Klangideal zu erreichen, baut Christian Gfeller seine Orgeln gänzlich von Hand. Auch im hohen Alter lebt er seinen Traum.

Als fünfeinhalbjähriger Bub kroch Christian Gfeller in eine Orgel, dabei schnürte er ihr versehentlich buchstäblich die Luft ab. «Ich verstellte das Schnürchen für die Luftzufuhr», erklärt der Orgelbauer.

Die Anekdote steht im Kontrast dazu, was ihn im Berufsleben und bis heute nicht loslassen sollte: die Mission, der Orgel die Luft zurückzugeben, oder die Suche nach dem perfekten Orgelklang.

Als Teenager lernte der Pfarrerssohn das Orgelspiel. Nach der Schule entschied er sich für eine Lehre als Orgelbauer bei der Firma Kuhn in Männedorf. «In der Lehre habe ich die Orgel so angenommen, wie sie ist», sagt Gfeller in seiner Werkstatt in Rüderswilschachen nahe dem emmentalischen Langnau, wo er an seiner achten Orgel arbeitet. Doch mit etwa 20 Jahren liessen ihn Schallplatten mit Aufnahmen von historischen Orgeln aus dem Ausland aufhorchen. «Ich merkte: Es gibt noch etwas anderes.» 

Inspirationsquelle Gesang

So zog er in die Nähe von Hannover, um bei der Firma Hammer als Orgelbauer zu arbeiten. «Der norddeutsche Orgelklang ist überwältigend», sagt Christian Gfeller. Seine blauen Augen leuchten dabei. Danach klangen ihm die Orgeln in seiner Heimat zu stumpf und zu leise. Sie verleideten ihm so sehr, dass er zum Chorsingen wechselte. 

Die Orgel der Jesuitenkirche in Solothurn hat einen Klang, der atmet.

Dessen Klang wurde in der Folge zu seinem Vorbild. Weitere Inspiration fand er auf Reisen zu historischen Orgeln in Holland und Italien. Und vor allem bei der Orgel der Jesuitenkirche in Solothurn. «Das ist ein Klang, der atmet», schwärmt der 84-Jährige. 

So machte er sich selbstständig, nachdem er einige Zeit bei der Firma Metzler in Dietikon gearbeitet hatte. Deren Orgeln seien zwar handwerklich wunderbar gewesen, aber vom Klang her nicht, was er gesucht habe, erzählt er. Doch betont er sogleich, es sei eine Geschmacksfrage und er wolle niemanden ärgern mit seinen Aussagen. 

«Nicht der geborene Handwerker»

Diese Bescheidenheit ist bezeichnend für Christian Gfeller. Seine Orgeln sind nicht nur Instrumente, sondern Kunstwerke. Er macht alles selber, vom Entwurf der Orgel über das Anfertigen der Zinnpfeifen bis zum Schnitzen der Ornamente. Trotzdem sagt er mehrmals, er wolle sich nicht selber loben, denn: «Ich bin nicht der geborene Handwerker.» 

Damit meint er aber nicht seine handwerklichen Fertigkeiten, sondern die Planung komplexer Abläufe. Im mittleren Alter kam Müdigkeit dazu, die seine tägliche Arbeitszeit beschränkt. «Ich baue drei Jahre an einer Orgel, andere bloss ein Dreivierteljahr», sagt er.

Das Schönste ist, dass meine Tochter auf meinen Orgeln so spielt, wie es für mich stimmt.

Das gilt es zu relativieren: Etwa brauchte er für die Zierleiste einer Orgel ein halbes Jahr, weil er eine äusserst schwierig zu schnitzende Form wählte und dafür eigene Werkzeuge herstellen musste. Ausdauer ist also auch eine von Gfellers Eigenschaften. Auch bei seinem Hobby stellt er das unter Beweis. «Ich war in allen Berner SAC-Hütten, ausser der Bächlitalhütte auf der Grimsel.» Vielleicht versuche er die Aufstiege in diese beiden Hütten aber irgendwann noch, meint Gfeller.

Lebenslange Suche

Auch bei der Suche nach dem perfekten Klang hat Gfeller einen langen Atem. Er habe ein Leben lang daran geforscht und getüftelt, sagt seine Tochter Annette Unternährer, die selber Organistin ist und regelmässig Orgeln ihres Vaters spielt. «Die Forschung nach dem perfekten Orgelklang ist bei meinem Vater eine Suche nach dem Sinn des Lebens.» Gfeller selbst formuliert es schlichter: «Der Klang erfüllt mich.»

Und der Gfeller-Klang lebt schon in der nächsten Generation weiter. «Das Schönste ist, dass meine Tochter auf meinen Orgeln so spielt, wie es für mich stimmt», schwärmt er. Stolz und Freude sind unüberhörbar. Und seine Tochter sagt: «Wenn ich die Orgeln meines Vaters spiele, kommt seine Persönlichkeit zum Klingen.»