«Die Liberalen» wollen Gemeinnützigkeit mehr kontrollieren

Politik

Die FDP möchte mehr Bürokratie bei gemeinnützigen Organisationen. Diese wehren sich. Für den weiteren Prozess muss nun die Steuerverwaltung mehr Informationen liefern. 

Landauf, landab waren vor fünf Jahren Kirchtürme mit orange-farbenen Transparenten und Flaggen mit Parolen behängt. Das führte zu einigen roten Köpfen: Im Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative 2020 waren auch Kirchgemeinden und kirchliche Institutionen teils stark engagiert. Etwas über 50% der Abstimmenden sagten schliesslich Ja zur Inititiative. Doch wegen des Ständemehrs wurde sie haarscharf abgelehnt.

Dieses Engagement ging einigen zu weit. Vor allem unter Bürgerlichen regte sich Widerstand gegen die politische Stellungnahme von Kirchen und Organisationen. Im Nachklang hat Beat Walti im Namen der FDP-Fraktion im vergangenen Dezember im Nationalrat eine Motion eingereicht. Der harmlose Titel lautet: «Stärkung der Gemeinnützigkeit steuerbefreiter Organisationen».

Was ist «im Interesse der Allgemeinheit»?

Steuerbefreite gemeinnützige Organisationen sollen gemäss dem Vorstoss durch den Staat genauer beobachtet werden und allenfalls mindestens teilweise ihre Steuerbefreiung verlieren. Sie müssten neu eine Steuererklärung einreichen aufgrund einer Rechnung mit einer Aufteilung der Posten in Tätigkeiten «im Interesse der Allgemeinheit» und «übrige Tätigkeiten». Letztere wären nicht steuerbefreit. Und würden Organisationen regelmässig (etwa mindestens zwei Mal innert vier Jahren) Beiträge von mehr als 50'000 Franken an Kampagnen leisten, wäre die Steuerbefreiung ebenfalls hinfällig. 

Die Annahme dieser Motion würde einen erheblichen Bremsklotz darstellen und zu einem Verlust für die Allgemeinheit führen.
Kathrin Bieri, Geschäftsführerin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes

Am 15. April hat nun die Wirtschaftspolitische Kommission des Nationalrats über die Motion beraten. Die Kommission schiebt den Vorstoss auf eine längere Bank: Sie hat die Steuerverwaltung beauftragt, zusätzliche Informationen zu einigen Fragen zu liefern. Doch der Widerstand dagegen ist jetzt schon stark. Bereits der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme festgestellt, «dass die bestehenden Vollzugsvorschriften genügen, um die teilweise Steuerbefreiung zu gewährleisten und zugleich Missbräuche festzustellen». Er beantragt daher die Ablehnung der Motion.

Landfrauen und Arbeiterhilfswerk dagegen

Das tun auch unterschiedliche Betroffene. Es gehe im Gegensatz zum Titel der Motion nicht um eine Stärkung gemeinnütziger Organisationen, sagt beispielsweise Kathrin Bieri auf Anfrage. Die Geschäftsführerin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes hält fest: «Die Annahme dieser Motion würde einen erheblichen Bremsklotz darstellen und zu einem Verlust für die Allgemeinheit führen.» Ein Teil der Ressourcen müsste der Verband dann für zusätzliche Verwaltungsaufgaben und Steuern aufwenden – und diese würden schliesslich fehlen, um die Aufgaben zum Wohl seiner Mitglieder erfüllen zu können.

Die Motion ist eine Schwächung der demokratischen Prinzipien und der Meinungsäusserungsfreiheit.
Caroline Morel, Leiterin des Nationalen Sekretariats der Schweizerischen Arbeiterhilfswerks

Ähnlich äussert sich Caroline Morel, Leiterin des Nationalen Sekretariats der Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH). Die Motion komme einem «politischen Maulkorb» für gemeinnützige Organisationen gleich: «In vielen Statuten ist die Interessenvertretung der Zielgruppen auf politischer Ebene verankert.» Auch politisches Engagement sei schliesslich im Interesse der Allgemeinheit. «Die Motion ist eine Schwächung der demokratischen Prinzipien und der Meinungsäusserungsfreiheit», sagt Morel. Und auch hier: Eine Umsetzung der Motion hätte «riesigen bürokratischen Aufwand» zur Folge. «Fast 14'000 Organisationen müssten eine Steuererklärung ausfüllen!»

14'000 Organisationen betroffen

Betroffen wären natürlich auch viele Organisationen mit kirchlichem Hintergrund. Nach Ansicht des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks) komme der Vorstoss einem politischen Maulkorb gleich. «Eine lebendige Demokratie braucht die freie und uneingeschränkte Meinungsäusserung aller Akteurinnen und Akteure», sagt Mediensprecher Lorenz Kummer auf Anfrage. Im Infotext unten findet sich eine ausführlichere Stellungnahme des Hilfswerks.  

Unterstützt werden die Organisationen von ihrem Dachverband Pro Fonds. Dieser vertritt die Interessen von fast 14'000 gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen in der Schweiz. Bereits am 13. März wandte er sich mit einem Brief an sämtliche Mitglieder des Nationalrats. Zwei Hauptpunkte, die teils ausführlich begründet werden, kritisiert der Dachverband am Vorstoss: Dessen Titel sei irreführend, da gemeinnützige Organisationen geschwächt würden, statt sie zu stärken. Und insgesamt sei die Motion «gegenstandslos und überflüssig».

In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob das die Wirtschaftskommission und das Parlament schliesslich auch so sehen.

Was das Hilfswerk Heks zur Motion sagt

Wie andere Organisationen weist Heks-Mediensprecher Lorenz Kummer darauf hin, dass die Motion von FDP-Nationalrat Beat Walti auf das Gegenteil dessen zielt, was sie im Titel verspricht. «Kommt sie durch, würde dies in erster Linie zu administrativem Mehraufwand und damit zu höheren Kosten führen.»  

Gerade das Ziel des Vorstosses, die politische Beteiligung von gemeinnützigen Organisationen einzuschränken, geht für Kummer nicht auf. Das Heks handle als anerkannte gemeinnützige Organisation im Interesse der Allgemeinheit. Fürs Verfolgen der Vision einer gerechten Welt habe das Hilfswerk ein bindendes Mandat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). «Damit verbunden ist der Auftrag, die Schweizer Bevölkerung für die Anliegen der Menschen aus den Heks-Projekten im In- und Ausland zu sensibilisieren.»

Kummer sieht es daher als legitim und «richtig und wichtig» an, dass Heks auch in politischen Debatten mitmischt. Das sei kein Widerspruch zur Gemeinnützigkeit. «Politische Mittel für die Erreichung eines gemeinnützigen Zwecks sind erlaubt.» Das habe auch der Bundesrat schon in einer Antwort auf eine frühere Motion von Ruedi Noser (FDP) festgehalten. «Organisationen, die sich politisch für gemeinnützige Zwecke einsetzen, von der Steuerbefreiung auszunehmen, wäre ein grober Bruch im Schweizer Demokratieverständnis», sagt der Heks-Mediensprecher.

Was es für das steuerbefreite Hilfswerk bedeuten würde, eine Steuererklärung und eine Spartenrechnung gemäss der Motion einzureichen, könne er im Moment nicht beziffern. Zurzeit verfolge das Heks die parlamentarische Debatte mit Interesse und werde sich je nach deren Verlauf einbringen. Aber: «Wir sind überzeugt, dass die Räte der Motion nicht Folge leisten werden.»