Die Schweiz gilt als eines der friedlichsten Länder der Welt. Zu Recht?
Eric Nussbaumer: Ja, gesellschaftlich gesehen ist unser Land sehr ruhig. Wir haben Meinungsfreiheit und das Recht auf Demonstrationen, die in der Regel ohne Gewalt stattfinden.
Worauf führen Sie das zurück?
Auf verschiedene Faktoren. Unsere Demokratie und unsere Staatsordnung ermöglichen es, Entscheidungen nahe bei den Menschen zu treffen, sei es in Gemeinden oder Kantonen. Dies führt zu einer hohen Identifikation mit der Politik. Unser Wohlstand spielt ebenfalls eine Rolle, da reiche Länder, in denen es weniger soziale Ungerechtigkeit gibt, friedlicher sind. Zudem haben wir eine gute Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmenden und Unternehmen, die wir unbedingt weiterhin bewahren müssen.
Was braucht es auf der zwischenmenschlichen Ebene, damit es friedlich bleibt? Solidarität?
Ja, eine Solidarität, die erkennt, dass es nicht allen gleich gut geht und dass es einen Ausgleich braucht.
Toleranz?
Sicher. Toleranz ist ein wichtiger Wert in einer freiheitlichen Demokratie. Meinungsfreiheit kann nur existieren, wenn man anerkennt, dass die andere Seite etwas vertreten kann, das man selbst vielleicht noch nicht gesehen hat. Die Schweiz hat diese Werte, die zum friedlichen Zusammenleben führen, über Jahre entwickelt und eingeübt. Diese Möglichkeit hatten viele andere Länder nicht.
Sie erleben den parlamentarischen Alltag in Bundesbern. Sind Parlamentarier friedliche Menschen?
Grundsätzlich ja. Aber sie sind in das Kräftespiel der vereinfachten Argumente eingebunden. Heute sucht man in einer komplexen Welt nach einfachen Erklärungen. Vereinfachung führt zu Polarisierung, was das politische Leben und die Wahrnehmung von Politik nicht stärkt.