Kleider verschenken und Leute kennenlernen

Kirchenzukunft

Die Kirchgemeinde Zürich lädt zum zweiten Mal zur Kleidertausch-Party ein. Die Veranstaltung ist Teil eines Konzepts für mehr Kontakt mit jungen Erwachsenen.

Gebrauchte Kleider weiterzutragen ist nachhaltig. Nebst der Möglichkeit, sie günstig in Brockenstuben und Second-Hand-Läden zu kaufen, werden immer öfter Kleidertauschevents angeboten. Sie sind als kleine Partys organisiert, kosten Eintritt oder nicht. Meist darf man nur so viele Stücke mitnehmen, wie man mitgebracht hat.

Die wachsende Beliebtheit des nachhaltigen Kleidertausch macht sich nun die reformierte Kirchgemeinde Zürich zu Nutze, um junge Erwachsene zu erreichen. Das neue Format «Schenkhaus» fand zum ersten Mal Ende September statt. «Es war ein voller Erfolg», sagt Mitorganisator Simon Obrist. Um die 300 Leute seien gekommen.

Fast alles geschenkt

In einem Video aus dem Veranstaltungsort Amboss Rampe in Zürich meint eine Besucherin begeistert: «Ich habe noch nie einen Kleidertausch mit so viel Liebe entdeckt, mit so viel Vorbereitung, die hier drinsteckt. Alles ist cool – die Sachen, die Leute, die Stimmung.»

Und eine andere junge Frau sagt: «Es ist lässig, dass man hier so viel bringen und so viel mitnehmen kann, wie man möchte. Man kann aber auch ohne etwas kommen, das ist ein wichtiger Punkt.»

Konzept für junge Erwachsene

«Nicht alles, aber vieles ist gratis bei uns», sagt Simon Obrist zum neuen Format, das sich als Labor für frische Ideen der Kirche versteht. Der 46-Jährige ist seit Sommer 2022 in der Kirchgemeinde Zürich für das Ressort Lebenswelten zuständig. Zugleich ist der Kirchenpfleger Geschäftsführer im «Zum Hinteren Hecht», einem von den Winterthurer Kirchen unterstützten Kultur- und Begegnungsort. Als Sozialdiakon und Gastronom war er schon an vielen Orten tätig - in der Streetchurch Zürich etwa und in Kirchgemeinden.

Obrist entwickelt für die Kirchgemeinde Zürich ein Konzept für die Arbeit mit jungen Erwachsenen: «Es geht um Quartier- und um Alltagskirche.» Während er für die Quartierkirche vor allem mit Mitarbeitenden der Kirche zusammenarbeitet, hat er für die Alltagskirche sein Netzwerk aktiviert. 20 Leute waren bereit, mitzudenken. Das erste Resultat aus dem Brainstorming sind die Schenkhaus-Events: Kleidertausch, Kreativateliers, Musik und Gastroangebot. Zur Unterstützung bei der Umsetzung wurde die Agentur «Soda Studios» an Bord geholt

Schon die Vorbereitung ein Event

Mauro Meier hat an der ersten Schenkhaus-Auflage als Freiwilliger mitgearbeitet. Der 22-jährige Architekturstudent fand schon die Vorbereitungsabende cool. Das seien nicht einfach Sitzungen gewesen, sondern tolle Abende mit Freunden, an denen man gemeinsam an diesem Projekt gearbeitet habe. «Da wurden ganz ausgefalle Ideen gewälzt und gleich praktisch an ihrer Umsetzung gearbeitet.» So ist etwa das Design der selbstentworfenen Kleiderständer entstanden, die er dann mitgebaut hat. Auch am Zusammenzimmern des Schenkhauses, einer kleinen Holzkabine als spiritueller Rückzugsort, war er beteiligt.

Am Abend selbst servierte er Burger vor der Amboss Rampe. «Die Stimmung unter den Leuten war genial.» Der junge Mann, Jungscharleiter in der Freizeit, ist überzeugt, dass solche Veranstaltungen zur Kirche passen: «Es ist nicht der einzige, aber ein sehr guter Weg, um mit jungen Menschen in Kontakt zu

Wir möchten jungen Leuten Raum bieten, um unsere starke reformierte Tradition neu zu entfalten.
Simon Obrist, Kirchenpfleger Kirchgemeinde Zürich

Per QR-Code Danke sagen

Dass Kleidertausch als Event inszeniert wird, ist nicht neu. Beim Schenkaus gibt es nebst Sound, Food und Drinks auch Kreativstände, um zum Beispiel Stoff zu bedrucken oder Nägel zu schmücken. Und um die neuen Stücke gleich vor Ort zu verschönern, steht eine Näh- und Stickmaschine mit Deko-Zubehör zur Verfügung.

Zudem wurde eine hübsche Idee umgesetzt: Jedes mitgebrachte Teil - Kleider, Hüte, Schmuck oder Taschen - wird mit einem QR-Code versehen. Via digitale Plattform können sich alte und neue Besitzerinnen und Besitzer über die Geschichte des Kleidungsstücks unterhalten und Danke sagen. Über 150 Leute haben das Angebot nach der ersten Veranstaltung genutzt.

Über Sorgen und Schenken nachdenken

Das wohl «Kirchlichste» am Schenkhaus ist die kleine Holzkabine, die mitten im Trubel steht und in der ein, zwei Personen Platz finden. Dort kann man Impulse hören zu Lebensthemen. Und danach zum Beispiel seine Sorgen aufschreiben und sie durch den Schredder schicken. Oder eine elektrische Kerze anzünden, um einem Menschen gute Gedanken zu widmen. Oder an die Wand schreiben, wann Schenken glücklich gemacht hat. Nach der Veranstaltung im September stand da etwa: «Ein Überraschungsbesuch zum Geburi 1000 km weit weg» oder «Zuhören!»

Viele weitere Ideen

Ob die Schenkhaus-Events auch im neuen Jahr als Experiment weitergeführt werden, muss nun die Kirchgemeinde Zürich entscheiden. Obrist denkt über den Kleidertausch hinaus. Möglich wären für ihn auch Meditationen, Konzerte, Kurse, Gottesdienste, Gesprächsrunden, Werkstätten. Oder was sich eben sonst noch ergibt. Sein Ziel: «Jungen Menschen Raum bieten, um unsere starke reformierte Tradition neu zu entfalten.»

Was schon klar ist für die nächste Auflage am Samstag, 25. November: Es wird nicht nur DJ-Sound, sondern auch Live-Musik geben. Und vor dem Lokal lädt ein Lagerfeuer zum Gitarrespielen und Liedersingen ein.

25. November, 16-24 Uhr, Zirkusquartier, Hohlstrasse 256, Zürich Zum Projekt.