Wie der Kaffee ins Engadin kam

Jubiläum

Das Unternehmen Badilatti zählt mit 111 Jahren zu den ältesten Kaffeeröstereien der Schweiz. Seniorchef Daniel Badilatti hat sein Geschäft auch in sozialer Verantwortung geführt.

Kaffee ist ein inter­natio­nales Produkt. Damit kann überall auf der Welt gehandelt werden.
Daniel Badilatti, Inhaber Kaffee Badilatti

Es hat geschneit in Zuoz. Aus dem Bürofenster von Daniel Badilatti sind Skilifte und das Lyceum Alpinum Zuoz, ein internationales Internat, zu sehen. Auch Badilatti ging hier zur Schule. Als Einheimischer begegnete er dort illustren Personen wie dem Fürsten von Liechtenstein oder Nachkommen der Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger. «Für mich war es ein Riesenprivileg, hier zur Schule zu gehen», sagt Badilatti. Die Kombination aus Weltläufigkeit und Heimatverbundenheit charakterisieren den Unternehmer bis heute.

Kaffeerösterei statt Priesteramt

Bunte Luftballons liegen an diesem Vormittag im Büro des Seniorchefs. «Meine ukrainische Mitarbeiterin hat mir mit den Ballons eine Freude zum Geburtstag gemacht.» Nicht allein der Inhaber der ältesten Kaffeerösterei Graubündens hat jedoch Geburtstag, auch die Rösterei selbst ist jetzt 111 Jahre alt. Zeit, einmal zurück und nach vorn zu schauen.

Wie kommt eigentlich eine Kaffeerösterei in ein Schweizer Alpental? «Das hat mit meinem Grossvater zu tun», sagt Daniel Badilatti. Als ältester Sohn eines Puschlaver Geschlechts sollte der eigentlich Priester werden. «Aber er war wohl zu sehr ein Genussmensch», sagt sein Enkel und lacht. Kurzerhand schickte ihn die Familie zu Verwandten nach Rom. Dort hatte eine Tante einen gewissen Bondolfi geheiratet und betrieb mit ihm eine «bottega del caffè». Badilattis Grossvater erlernte im Betrieb die Röstung und den Verkauf von Kaffee. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg verlor der Schweizer seine Arbeitsbewilligung, deshalb musste er Italien verlassen.

1912 kehrte er zurück nach Zuoz und sah, dass inzwischen viele italienische Bauarbeiter in seinem Heimatort lebten, da sie an der neuen Bahnlinie Samedan–Scuol mitarbeiteten. Badilatti sah seine Chance. Er verkaufte zunächst in deren Arbeiterkantine und dann im Lebensmittelgeschäft im Dorfkern Kaffee und Produkte, die die Italiener aus ihrer Heimat kannten. Das waren die Anfänge. «Und so ist Cafè Badilatti dann nach Zuoz gekommen.»

Von Kindheit an ist Daniel Badilatti mit der Kaffeerösterei aufgewachsen. «Die Frage war für mich früher nicht, ob ich am Nachmittag Ski fahren oder spielen gehe, sondern, welche Aufgabe mein Vater für mich im Betrieb hat.»

Nach seiner Matura ging der Engadiner auf Reisen. In Indonesien lernte er einen Unternehmer kennen. Daraus entstanden eine Freundschaft und eine Geschäftsidee. Der eine, Daniel Badilatti, wusste, wie Kaffee verarbeitet werden muss, damit er verkäuflich ist, der andere hatte Kontakt zu indonesischen Kaffeebauern. Sie gründeten eine Genossenschaft mit einer Mühle für die Kaffeebauern. «Meine Aufgabe war, die Menschen vor Ort zu schulen und die Kaffeeverarbeitung auf das Niveau zu bringen, dass er exportiert werden konnte.»

Eine Erfolgsgeschichte. Nach der Pensionierung 2015 hat sich Badilatti aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Inzwischen läuft die Genossenschaft in Indonesien selbstständig. «Das war unser Ziel.»

Trend zur Regionalität hilft

Zum Jubiläum der Firma Badilatti gibt es den Kaffee «Rist-Retro», der ausschliesslich von Kaffeeplantagen von La Bastilla in Nicaragua kommt. Das soziale Engagement Badilattis setzt sich fort. Denn La Bastilla ist eine Organisation, die sich auf den nachhaltigen Anbau von Kaffee spezialisiert hat und den Menschen in Nicaragua Ausbildungen in Agronomie ermöglicht.

Die Organisation Coffeekids geht in eine ähnliche Richtung. Sie sammelt Geld für die Kinder der Kaffeebauern, das für Erziehung, medizinische Vorsorge oder Wasserprojekte eingesetzt wird. Auch in diesem Bereich hilft die Kaffeerösterei.

Trotz allem sozialen Engagement muss sich der Cafè Badilatti am Markt behaupten. Gelingt das? «Der Trend zur Regionalität kommt uns entgegen», sagt Daniel Badilatti. Die Tradition und die Rückverfolgbarkeit der Bohnen spielen der kleinen Kaffeerösterei in die Hände. Auch eine Nachfolgeregelung für ihn selbst ist gefunden. Er ist froh, dass das Alltagsgeschäft «in guten Händen ist».

Kaffee sei ein internationales Produkt und anders als Alkohol auch in muslimischen Ländern problemlos handelbar, sagt der Seniorchef. «Bis heute kommen Gäste von überallher und schlendern durch das Kaffee-Museum im Erdgeschoss der Rösterei.» Manchmal nimmt Badilatti sie mit auf den Berg Muottas Muragl: «Das ist ja unglaublich schön hier!», sagen sie dann. «Ja», so Badilatti, «wir sind hier privilegiert, haben gute Luft zum Atmen und Wasser aus dem Hahn. Das ist keine Selbstverständlichkeit.»