Singende Bäume und magische Blitzableiter

Apfel

Er ist Symbol für Verführung, für Fruchtbarkeit, Zwist und Macht, Schutz und Gift – der Apfel in Märchen, Mythen und Legenden von den Germanen über Tell bis nach Persien.

In zahlreihen Mythen, Legenden und Märchen spielt der Apfel ­eine Rolle. Er ist ein Symbol für Verführung, was auf die Schöpfungsgeschichte in der Bibel zurückgeht. Er kann aber auch für Fruchtbarkeit stehen. Oder aber für Zwist.

Schon die alten Germanen waren fasziniert von der runden, saftigen Frucht mit ihrem kernigen Innenleben. Sie glaubten, der Apfelbaum stehe unter besonderem Schutz der Götter, und selbst Blitze könnten ihm nichts anhaben. Darum pflanzten die Bauern Apfelbäume möglichst nahe an ihre Häuser.

Könige und Helden hofften gemäss einer keltischen Sage darauf, nach ihrem Tod ins Apfelland zu kom­men. Avalon, so nannten sie das Paradies, war die Insel der Apfelbäume. Noch im Mittelalter wurde das Paradies häufig als ein grosser Garten mit vielen herrlichen Apfelbäumen dargestellt, aus denen ein betörender Gesang ertönte.

Vom Kopf geschossen

Ein beliebtes Motiv in Sagen und Le­genden ist der Apfelschuss. Es kommt in mehreren europäischen Erzählungen vor. Immer wird der Held dazu genötigt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen. Und er hält einen zweiten Pfeil bereit, um im Falle eines Fehlschusses denjenigen zu töten, der ihn zur gefährlichen Handlung gezwungen hat. Vermutlich erstmals taucht der gezielte Schuss auf einen Apfel im Versepos «Mantiq at-tair» («Die Kon­ferenz der Vögel») auf, das der per­sische Sufi-Dichter Farid ud-Din Attar Ende des 12. Jahrhunderts ver­fasst haben soll.

Der in der deutschen Literatur be­­kannteste Apfelschuss ist natürlich jener, der die Figur des Wilhelm Tell zum Schweizer Helden gemacht hat. Der deutsche Dichter Friedrich Schil­ler verwendete das Motiv in seinem klassischen Drama dazu, die spätere Ermordung des Landvogts Gessler voran­zu­trei­­ben. Auch hier entdecken Gesslers Wachen nach Tells Treffer einen zweiten Pfeil, der nach einem Fehlschuss für den Tyrannen bestimmt gewesen wäre.

Faul oder vergiftet

In zahlreichen deutschen Mär­chen kommt ebenfalls ein Ap­fel vor. Einen prominenten Auftritt hat er in «Schneewittchen», dessen böse Stiefmutter die rote Hälfte der Frucht vergiftet hat, um das schöne Mädchen zu töten.

Bei «Frau Holle» ist die Pech­marie zu faul, die reifen Früchte vom Baum zu schütteln. Und im Märchen «Einäuglein, Zweiäuglein und Drei­äuglein» wächst für die Heldin ein Baum mit silbernen Blättern und goldenen Äpfeln, die nur sie pflücken kann und mit deren Hilfe sie dann ihren Ehemann für sich gewinnt.

Einem Apfel hinterher rennen muss hingegen der Held im Märchen über den «Eisenhans». Erst nachdem der Held die goldenen Frucht der Königstochter drei Mal erwischt hat, darf er sie heiraten.