Abwart, Pizzaiolo und Chocolatier in einem

Kirche

Michael Wirz ist für die Technik im Kulturhaus Helferei zuständig. Für das Grossmünster stellt er nebenbei auch edle Schokoladen her.

Konzentriert steht Michael Wirz um 4 Uhr in der Küche der Helferei. Seine Grossmünster-Schoggi macht er am liebsten in der Morgendämmerung, zu jener Zeit, in der im Kulturhaus noch nichts los ist. 

In einem Edelstahltopf schmilzt die Kuvertüre der Schwyzer Schokoladenmanufaktur Felchlin schon vor sich hin, Wirz rührt geduldig. Er ist seit über zehn Jahren technischer Leiter in der Helferei, ist aber auch gelernter Bäcker-Konditor. 

Die perfekte Temperatur

Jetzt beginnt das A und O der Schokoladenproduktion, die nur bei der richtigen Temperatur vor dem Erkalten gelingt. Den Topf trocknet der 50-Jährige auf der Theke sorgfältig ab, bevor er mit dem Umgiessen beginnt. «Ein einziger Wassertropfen in der Schokolade, und das Ganze ist ruiniert», erklärt er.

Zwei Drittel der Masse landen auf einer rosa Granitplatte, wo Wirz sie rhythmisch rührt und hin- und herschiebt. Tablieren nennt man das. Wirz kennt es von seiner Lehre bei einem Bäcker in der Region. Langsam wird die Schokolade zähflüssig. Das ist jetzt der Moment, um sie mit dem zurückbehaltenen Rest, der viel wärmer ist, zusammenzubringen.

Die selbst gerösteten Haselnüsse werden sogleich daruntergemischt. Auf einer Folie mit acht Zeichnungen des Grossmünsters in gelber Lebensmittelfarbe liegen runde Metallformen bereit. Die Schokolade wird in die Formen gegossen und dann auf neun Grad abgekühlt.

Eine Mehlstauballergie, das sogenannte Bäckerasthma, beendete die Karriere von Wirz in einer Grossbäckerei. Handwerklich talentiert, bewarb er sich fortan als Abwart. «Es war eine schwierige Zeit», erzählt er. Niemals hätte er gedacht, dass es so viele Bewerbungen brauchen und so lange dauern würde, bis er die Stelle in der Helferei fand.

Sie war ein Glücksfall. «Meine Arbeit hier ist extrem vielfältig.» Nebenbei wirkt der Hauswart nicht nur als Chocolatier, sondern auch als Pizzaiolo. Immer dienstags bäckt er für den Mittagstisch der Helferei drei Sorten Pizza, natürlich mit selbst gemachtem Teig.

Die Schokolade ist nun zurück in der Küche. Wirz zieht die Folie ab, der Abdruck des Grossmünsters ist perfekt. «Stimmt die Konsistenz der Schoggi nicht, gelingt auch das Tattoo nicht», erklärt er beim Verpacken der Tafeln in Cellophan, auf das er noch die Etiketten klebt.

Drei Sorten bietet der Haustechniker seit vier Monaten im Grossmünster-Shop an: Milchschokolade mit gerösteten Haselnüssen, dunkle Schokolade mit Heidelbeeren und weisse Schokolade, die er mit gerösteten Mandeln verfeinert. 

Die Küche ist inzwischen wieder blitzblank. Denn bald rückt das ukrainische Kochteam an, das an diesem Mittag zu Hühnersuppe und Pilaw mit Salat einlädt.

Nicht alles glatt

Neben seinem ungewollten Berufswechsel hat Wirz auch andere Brüche erlebt. Schon als Kind hatte er es schwer. Als er vier Jahre alt war, kam er mit seinen zwei Geschwistern in Berlin-Tempelhof ins Kinderheim. Dort herrschte ein strenges Regime. Ihre Schwester, die im gleichen Heim wohnte, durften die beiden Brüder nicht besuchen. 

Eine Ferienaktion führte ihn mit sechs Jahren ins Zürcher Oberland. Seine Gastfamilie nahm ihn schon nach dem ersten Aufenthalt fest auf. «Ein riesiges Glück, für das ich sehr dankbar bin.»

Als Erwachsener wollte er dennoch seine leibliche Mutter in Berlin besuchen. Er stand vor der Tür, sie bat ihn nicht einmal herein. «Ein gewisser Schmerz wird mich wohl immer begleiten, auch weil ich von den Geschwistern getrennt wurde.»

Das Bittere im Leben hat ihn einige Dinge gelehrt. Wer offen über seine Probleme rede, bekomme meist Hilfe. Die dürfe man aber nicht überstrapazieren. «Letztlich ist man selber verantwortlich, mit Verletzungen klarzukommen und sich damit zu versöhnen.»