In einem Videointerview von 2017 fragt der kroatische Theologe Miroslav Volf seinen Gesprächspartner als Erstes: «Wer ist Gott?» Der Interviewte antwortet: «Jesus Christus – er ist das menschliche Gesicht Gottes. Und ohne Jesus Christus möchte ich nicht an Gott glauben.» Der, der dies sagt, ist der deutsche Theologe Jürgen Moltmann, damals im Alter von 91 Jahren – einer der einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts.
Mit seiner Aussage im Interview bekundete er, dass er nicht nur ein theologischer Denker und Lehrer von Weltrang, sondern auch ein gläubiger Christ im Wortsinn war, konsequent ausgerichtet auf den Gekreuzigten und Auferstandenen. Nun ist Jürgen Moltmann verstorben, am 3. Juni 2024 im Alter von 98 Jahren.
Prägend für die Theologie seiner Zeit
«Theologie der Hoffnung» – so heisst Werk, das der gebürtige Hamburger im Oktober 1964, in einer Welt des Um- und Aufbruchs, veröffentliche. Mit diesem Wurf schrieb der damals 38-Jährige Theologiegeschichte. Das Buch sorgte für internationale Aufmerksamkeit, insbesondere auch in den USA, und machte dessen Verfasser zu einem viel beachteten Theologen.
In der Folge strahlte er als akademischer Lehrer und Autor wegweisender Werke weit über die deutschen Grenzen hinaus und prägte den theologischen Nachwuchs im protestantischen Umfeld stark mit. Seine Hauptwirkungsstätte war die Universität Tübingen, wo er von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 als Professor tätig war. Moltmann ist einer der meistübersetzten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts.
Jürgen Moltmann war es wichtig, in einer stark von der Vernunft geprägten Zeit zwischen dem Verstehen und dem Glauben eine Brücke zu schlagen. Und ihm war es ebenso wichtig, nicht nur auf eine Jenseitshoffnung zu bauen, sondern die Hoffnung auf das Gottesreich auch im irdischen Dasein erlebbar zu machen: durch engagiertes christliches Handeln und in der dezidierten Auseinandersetzung mit der weltlichen Politik, die oft genug nicht den Menschen, sondern der Macht dient. Seine politische Ausrichtung war linksprogressiv, was ihm von konservativen Gläubigen zuweilen angekreidet wurde.
«Die Kirche ist zu harmlos»
Seine eigene Kirche, die evangelische, erachtete er als kraftlos und im Grunde wenig geeignet, die frohe Botschaft in der Welt wirksam werden zu lassen. In einem Interviewband, der 2016 zu seinem 90. Geburtstag erschien, sagt er: «Die evangelische Kirche geht nach meiner Überzeugung an ihrer eigenen Harmlosigkeit zugrunde. Ein Glaube, der nichts fordert, tröstet auch nicht.»