Hier findet die KUW der Zukunft statt

Kirchliche Bildung

Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben ein neues Konzept für die Arbeit mit jungen Menschen. Darin haben sowohl neue wie auch alte Unterrichtsformen ihren Platz.

Ein Mittwochabend im Dezember. In der Nydeggkirche in Bern studiert eine Gruppe Vorsänger und -sängerinnen Lieder für das offene Ad-ventssingen ein. Gerade haben sich alle zum Einsingen im Chorraum aufgestellt. Gut die Hälfte der Teilnehmenden sind Jugendliche. Die zwei Jungen und vier Mädchen machen noch etwas zaghaft bei den Übungen mit, die der Organist vorgibt: sich nach oben strecken, dann die Arme fallen lassen, summen, einfache Phrasen singen. «Bald ist Weihna-a-ach-ten!»

Die Jugendlichen sind nicht ganz freiwillig hier. Die Proben zum Adventssingen und dieses selbst besuchen sie als Teil der kirchlichen Unterweisung (KUW). Im Rahmen eines Pilotprojekts, das vom neuen KUW-Konzept (s. Box) der Kirchgemeinde Nydegg ausgeht, können die Jugendlichen der 8. und 9. Klasse aus einer Palette an sogenannten Ateliers fünf auswählen. Dies ersetzt auf dieser Schulstufe teils den Klassenunterricht.

Das Konzept wurde von Kirchgemeinden entwickelt und erprobt

«Diese neue Form ist noch ein Experiment», sagt Kirchgemeinderätin Marianne Schär Moser. Sie hat das neue Konzept mitentwickelt. Dies geschah im Rahmen des Projekts «Zukunft der KUW» der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso), in dem das alte KUW-Konzept überarbeitet wurde.

Die Kirchgemeinde Nydegg war eine von 17 Kirchgemeinden, die im Rahmen des Projekts während dreier Jahre neue Formen der religionspädagogischen Arbeit erprobten. In diesen Dialoggemeinden wurde in interdisziplinären Teams gearbeitet, die sich auch untereinander regelmässig zum Austausch trafen.

Die Kirchgemeinden haben unterschiedliche Ausgangslagen.
Marianne Schär Moser, Kirchgemeinderätin Nydegg Bern

Als Erstes diskutierten die Teams einen von Refbejuso vorgegebenen ersten Entwurf neuer Leitlinien. «Es zeigte sich, dass die Ausgangslage in den verschiedenen Kirchgemeinden zum Teil sehr anders ist. In der Nydegg etwa hätten nicht alle Punkte als Basis für unsere Arbeit funktioniert», sagt Marianne Schär Moser. Deshalb ermöglichen die jetzt definitiv geltenden Richtlinien individuelle Lösungen unter verbindlichen Rahmenbedingungen.

Bestehende KUW darf bleiben, neue Formen dürfen entstehen

Bis 2031 müssen jetzt alle Kirchgemeinden von Refbejuso ein Gesamtkonzept für ihre Arbeit mit jungen Menschen erstellen. Dabei ist es sowohl möglich, an der herkömmlichen Ausformung der KUW festzuhalten, als auch neue Formate zu finden. Denn die Richtlinien geben weder einen Lehrplan noch Pflichtlektionen vor. Der Entscheid muss jedoch bewusst gefällt und pädagogisch begründet werden.

Ja zum neuen Konzept

Das Parlament der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn hat dem neuen Konzept für die kirchliche Arbeit mit Kindern, Familien, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zugestimmt und hierzu 1,47 Millionen Franken genehmigt. Die Kirchgemeinden sollen in der KUW verschiedene und altersübergreifende Formate anbieten können. Auch vom Begriff «Unterweisung» möchte man wegkommen und schlägt vor, unter «KUW» künftig etwa «Kirche und Welt» oder «Kirche unterwegs» zu sehen.

Die Nydegg konnte als Dialoggemeinde die Arbeit am Gesamtkonzept bereits abschliessen. Viel habe sich am Bestehenden nicht geändert, sagt Schär Moser. Schon lange sei man in der Nydegg bei der Gestaltung der KUW von den Kindern und Jugendlichen, ihren Perspektiven, Fragen und Themen ausgegangen und habe andere Berufsgruppen einbezogen. Beide Aspekte sind in den neuen Richtlinien vorgesehen. Auch erlebnisorientierte und flexible Lernformen sind in der Nydegg bereits gang und gäbe.

Das Ausprobieren geht weiter

Eine Neuerung sind aber die Ateliers. Schär Moser sieht hier Vor- und Nachteile: «Die Rückmeldungen zeigen, dass manche dadurch das Gemeinschaftserlebnis als Konfirmationsklasse gefährdet sehen. Andere sind froh um die neue Flexibilität, da sie die Themen und Daten frei wählen können.»

Bei den Jugendlichen in der Singprobe scheint die neue Form gut anzukommen. Gerade ist Pause. Bei der Thermoskanne auf dem Taufstein haben sich die Jugendlichen Tee geholt und setzen sich zurück in die Kirchenbänke. «Ich finde es gut, dass wir frei wählen können. So kann man sich untereinander absprechen und zusammen hingehen», sagt die 8.-Klässlerin Salome Bernhard. Auch Pino Mazzoletti, der in die 9. Klasse geht, schätzt die neuen Freiheiten. Das Atelier gefalle ihm nicht schlecht. «Ich finde es spannend, mit anderen Altersgruppen zusammen zu sein», sagt er. Beide freuen sich auf das Adventssingen am 21. Dezember. Nervös seien sie nicht, denn sie müssten ja nicht allein singen.