Die USA waren ein wichtiger Partner, wenn es um Sicherheitsfragen oder Pläne für mögliche Evakuierungen von Mitarbeitenden ging. Drohen auch hier negative Konsequenzen?
Ja. Die USA haben ja auch angekündigt, ihre Beiträge an die Uno massiv zu reduzieren. Amerikanische Gelder machen teilweise 40 bis 60 Prozent der Budgets von Uno-Organisationen aus, gerade auch solchen, die in humanitären Grundbedürfnissen tätig sind. Ziehen sich die USA zurück und müssen dadurch auch die Vereinten Nationen ihre Einsätze zurückfahren, fehlt das Rückgrat der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Nothilfe. Die Uno übernimmt in Krisengebieten Basisaufgaben: Logistik, Infrastruktur, Sicherheit, Koordination der ankommenden Hilfe. Fällt das alles weg, sind viele Hilfswerke nicht mehr in der Lage, tätig zu werden, gerade dort, wo es am nötigsten ist. Wenn sie sich zum Beispiel keinem geschützten Konvoi mehr anschliessen können oder selbst Flüge organisieren müssen, können Hilfswerke diese Risiken nicht mehr eingehen und ziehen sich aus den Krisengebieten zurück.
Wer kann die Lücke füllen, wenn die USA ihre Pläne konsequent umsetzen?
Niemand hat die Mittel, um die Ausfälle im vollen Umfang zu kompensieren. Allerdings ist die Finanzkraft relativ zu sehen und eine Frage der Prioritätensetzung. Zurzeit liegt der Fokus auch in Europa bei der Aufrüstung, hier wird stärker investiert als in die menschliche Sicherheit. Die grosse Frage ist, ob der politische Wille in den europäischen Staaten vorhanden ist, um in die Bresche zu springen. Auch die Wirtschaft könnte in der Finanzierung der humanitären Hilfe vermehrt eine Rolle spielen.
Besteht die Gefahr, dass Staaten wie Russland oder China ihre Chance wittern?
Das ist ja bereits passiert. Wobei Russland zurzeit wohl nicht über die nötige Finanzkraft verfügt. Aber China gewinnt insbesondere in Afrika vermehrt an Einfluss. In der internationalen Zusammenarbeit verfolgten Staaten schon immer auch ihre eigenen Interessen. Doch wenn die wichtigsten Geldgeber Grundsätze wie Demokratie, zivilgesellschaftliches Engagement und Meinungsfreiheit nicht mehr teilen, führt dies zu einer Erosion unserer Werte. Da hat die westliche Welt extrem viel zu verlieren. Auch die Schweiz, etwa wenn humanitäre Organisationen aus Genf abwandern, weil ihre Budgets gekürzt werden und für sie der Standort zu teuer wird. Staaten wie Singapur, Malaysia oder China sind durchaus bereit, mit finanziellen Anreizen Organisationen anzulocken.
Lässt sich die Trump-Administration durch diplomatische Interventionen bremsen?
Die Sprache des Powerplay ist das Einzige, was diese Administration wirklich versteht. Zwar ist die amerikanische Wirtschaft weniger stark auf Exporte angewiesen als viele europäische Länder, aber der geschlossene Widerstand aller Staaten, welche von der Trump-Regierung mit Zollschranken drangsaliert werden, würde die amerikanische Wirtschaft auch schmerzen. Doch ich beobachte ein Schockstarre. Der grosse Aufschrei ist bisher ausgeblieben.
Vielleicht weil die Entwicklungshilfe eine schwache Lobby hat?
Es geht um weit mehr als um Entwicklungszusammenarbeit. Insbesondere die Schweiz ist als kleines, vom Export abhängiges Land auf eine regelbasierte multilaterale Zusammenarbeit angewiesen. Es stehen auch die Errungenschaften des Freihandels auf dem Spiel, wenn grosse Länder mit Zöllen drohen, um ihre Interessen durchzusetzen.
Im Powerplay der Grossen hat die Schweiz keine Chance?
Nicht nur die Schweiz verliert. Viele Länder sind auf eine regelbasierte und auf Verhandlungen und Abkommen gründende Weltordnung angewiesen. Wenn sich diese Staaten zusammentun, um ihre Werte zu verteidigen, dann hat das in einer so globalisierten und voneinander abhängigen Welt wie heute durchaus einen Effekt auf grosse Staaten: Auch sie kommen nicht mehr alleine aus.