Gesellschaft 27. Dezember 2025, von Marius Schären

Suche nach Mitteln gegen Repression

Menschenrechte

Angehörige der tibetischen und uigurischen Diaspora berichten immer wieder von Drohungen und Verfolgungen. Die Landeskirche unterstützt jetzt ein Projekt, das Hilfe bieten soll.

«Das Ziel der Akteure ist es, Tibeter und Uigurinnen in der Schweiz so einzuschüchtern, dass sie sich nicht mehr zu ihrer Menschenrechtssituation äussern.» Das sagt Tabea Willi, Programmleiterin Arktis bei der Organisation Voices, zuvor Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Sie spricht damit an, worunter Menschen in der Schweiz leiden, die aus Tibet stammen oder zu den in China verfolgten Uigurinnen und Uiguren gehören. Die letztere Bevölkerungsgruppe gehört einer turkstämmigen Ethnie an und ist zum grössten Teil muslimischen Glaubens.

Die genannten «Akteure» arbeiten laut der Organisation Voices für Vertretungen der Volksrepublik China. Diese würden Angehörige der betreffenden Minderheiten überwachen und einschüchtern. Auch in einem Forschungsbericht von Ralph Weber wird dies bestätigt; der Professor ist Vizedirektor des Europainstituts an der Universität Basel.

«Wir wissen, wo du bist»

Voices hat vor, die Minderheiten in der Schweiz vor «transnationaler Repression» zu schützen. Das soll in Form eines Projekts namens «Strong voices» passieren. Unter anderem wird dieses von der Landeskirche Bern-Jura-Solothurn mit 5000 Franken unterstützt. 

Ein Betroffener ist der Uigure Habibulla Haliq. Er ist im Jahr 2018 in die Schweiz geflüchtet. Doch auch hier, weit weg von seiner Heimat, hat er keine Ruhe gefunden. «Habibulla, wir wissen, wo du bist und was du machst», wurde ihm in einem anonymen Telefonanruf gesagt. Und ein paar Jahre später liess ihn unter anderem eine versteckte Drohung nicht mehr gut schlafen: «Denkst du an deine Heimat, an deinen Bruder und deine Schwester?» 

Denkst du an deine Heimat, an deinen Bruder und deine Schwester?
Anonymer Anruf an einen Uiguren in der Schweiz

Weiter hätten drei Chinesinnen ihn und seine Familie verfolgt, erzählt Haliq. Bei vier Wohnungsbesichtigungen im Jahr 2020 seien sie ihnen nachgegangen. Bei der vierten habe er geschrien: «Warum verfolgen Sie uns? Ich rufe die Polizei!» Die Frauen seien dann weggerannt, er habe drei Jahre Ruhe gehabt – bis wieder anonyme Anrufe begannen. 

Gegen Spaltung wirken 

Es sei dringend, dass sich die betroffenen Menschen in der Schweiz besser schützen können, sagt Tabea Willi. Mit Workshops im Rahmen von «Strong voices» (starke Stimmen) will ihre Organisation die Netzwerke der tibetischen und uigurischen Diaspora in der Schweiz, ihre Widerstandsfähigkeit und Solidarität stärken helfen. 

Bei einem Vorbereitungsworkshop Ende Oktober habe sich gezeigt, dass die Menschen der tibetischen Exilgemeinde «sehr motiviert» seien und konstruktiv mitarbeiteten, sagt Tabea Willi. «Sie schätzen es, dass dieses Angebot neu geschaffen wird.» 

Die Repression soll die Community spalten. Unser Angebot wirkt dem entgegen.
Tabea Willi, Programmleiterin Arktis bei der Organisation «Voices»

Für den geplanten zweitägigen Workshop im Februar erachteten sie als am vordringlichsten, Raum für Vernetzung und Erfahrungsaustausch zu erhalten. Zudem wünschten sie sich möglichst viele Informationen zum Thema. «Die Repression soll die Community spalten», hält Willi fest. «Unser Angebot wirkt dem entgegen.» 

Das allein jedoch reiche noch nicht als Schutzmassnahme, betont die Programmleiterin von Voices. «In erster Linie braucht es ein Bewusstsein bei den Schweizer Behörden über die Mechanismen der transnationalen Repression.» Die Vorfälle müssten systematisch dokumentiert, adäquate Meldestellen eingerichtet werden – und zwar mit möglichst tiefen sprachlichen und kulturellen Hürden. 

Behörden müssen handeln

Wichtig ist es Tabea Willi auch, festzuhalten, dass neben der tibetischen und uigurischen Diaspora weitere Gruppen von Drangsalierung betroffen sind. «Die Behörden müssen die bekannten Probleme ernst nehmen und Massnahmen treffen», fordert sie. 

Und es brauche eine enge Zusammenarbeit aller Behörden, vom Bund über die Kantone bis zu den Gemeinden. Schliesslich würden die Betroffenen bisher von der Polizei zu wenig ernst genommen – denn die Vorfälle entsprächen oftmals keinem juristisch verfolgbaren Tatbestand.