Lässt sich die Kirche auf politische Fragen ein, riskiert sie Kritik. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) exponiert sich immer wieder. Sie kommentiert Bundestagswahlen und äussert sich dezidiert zu Klimafragen. Jetzt fordert sie mit ihrer Friedensdenkschrift ihren pazifistischen Flügel heraus.
Die Weltordnung ist ins Wanken geraten, das regelbasierte Aushandeln zur Konfliktbewältigung stösst an Grenzen, wenn Staaten ruchlos ihre Interessen durchsetzen. Die EKD anerkennt, dass der Schutz vor Gewalt, der das Fundament des Friedens bildet, Gegengewalt nicht ausschliesst. Die Stärke ihrer Denkschrift liegt ausserdem darin, dass sie über den individuellen Gewissensentscheid hinausdenkt und Christen in den Blick nimmt, die in Politik und Militär Verantwortung tragen.
Prophetischer Pazifismus
Freilich legitimiert die Aggression der Gegenseite niemals, christliche Werte zu ignorieren. Dass Kriege Probleme lösen und Aufrüstung zu einer stabilen Friedensordnung führt, zeugt von grosser Naivität und vor allem einem akuten Mangel an Kreativität. Dem Pazifismus Weltfremdheit zu unterstellen, greift deshalb zu kurz. Das prophetische Wort der Friedensbewegung hat die Welt nötiger denn je.
Die Denkschrift, der Diskussionen in einer Friedenswerkstatt vorausgingen, erfüllt ihren Zweck, wenn sie zur Streitschrift wird und eine Debatte lanciert, in der das Zuhören gelingt und die eigene Position immer wieder infrage gestellt wird.
Neutralität und Verantwortung
Die EKD sucht nicht den Konsens der weltweiten Kirchengemeinschaft, vielmehr nimmt sie einen deutschen Standpunkt ein, der durch die Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis bestimmt ist. Zu hoffen ist, dass die Schrift andere Kirchen dazu anspornt, eigene Antworten zu formulieren. Etwa auf die Frage, was es bedeutet, der Neutralität verpflichtet und auf eine intakte Sicherheitsarchitektur angewiesen zu sein.
