Was hat Sie dazu bewegt, Pastor der Cathedral of Hope zu werden?
Neil Thomas: Mit 23 Jahren wurde ich im Vereinigten Königreich ordiniert. Meine erste Stelle war in Bournemouth, England. Die Gemeinde bestand hauptsächlich aus LGBTQ-Personen. Dies war während der AIDS-Pandemie, die die Welt erschütterte. Während andere Pastoren vielleicht in der Kinderarbeit beginnen, startete mein Dienst mit Tod und Trauer. In den ersten fünf oder sechs Jahren meiner Arbeit führte ich nicht nur eine Gemeinde, sondern beerdigte auch viele Menschen, die an den Folgen von AIDS starben. Diese Erfahrung prägte mich zutiefst – statt zu taufen stand ich immer wieder an Gräbern.
Wie hat sich diese tiefgreifende Erfahrung auf Ihr Berufsverständnis ausgewirkt?
Die Kirche spielte in dieser Zeit eine verheerende Rolle. Sie dämonisierte und entmenschlichte schwule Männer, die an AIDS erkrankten, indem sie predigte, dies sei Gottes Strafe. Diese Botschaft war entsetzlich. Sie motivierte mich, die Kirche auf einen Weg der Gerechtigkeit, Gleichheit und Akzeptanz zu führen. Seit 35 Jahren verteidige ich das Bild eines liebenden Gottes, den ich in der Bibel sehe – einen Gott, der niemanden bevorzugt und uns alle in eine tiefere Beziehung mit uns selbst, Gott und anderen führt.
Leiden queere Personen heute noch unter den Auswirkungen dieser Zeit?
Ja, in vielerlei Hinsicht bleibt das Trauma bestehen, besonders in der LGBTQ-Gemeinschaft. Viele haben aufgrund der damaligen Botschaften eine negative Vorstellung von Gott, als würden sie nicht geliebt. Diese Botschaften haben tiefe Wunden hinterlassen und werden oft über Generationen weitergegeben. Es ist, als hänge ein dunkler Schatten über den Betroffenen. Wenn man ihnen sagt, sie seien schlecht oder krank, beeinflusst das, wie sie sich selbst sehen und wie sie Beziehungen zu Gott und anderen Menschen eingehen.