Schwerpunkt 28. Oktober 2020, von Ron Feemster, Florida / Übersetzung: Delf Bucher

«Ein Nein zu Trump ist ein Nein zu Gott»

USA

Fernsehpredigerin Paula White verkündet, dass Donald Trump ein von Gott gesandter Präsident sei. Als Journalist Ron Feemster ihre Kirche besuchte, schlug sie aber leisere Töne an.

Wenn die Medien Donald Trumps innige Beziehung zu den Evange­likalen thematisieren, dann ist die Tele-Evangelistin Paula White nicht weit. Schon bei der feierlichen Amts­einführung 2017 hatte die spirituelle Beraterin des US-Präsidenten ihren grossen Auftritt. Die telegene 54-jährige Blondine organisiert Gebetstreffen auf Facebook live und steht der Glaubenskommission des Weissen Hauses vor.

Gerne tritt White bei ihren Predigten in wallenden Hosenanzügen oder kurzen Röcken und kniehohen Stiefeln auf. Auf allen Medien vom Fernsehen über Podcasts bis hin zu Youtube-Videos verkündet sie: Trump sei ein von Gott gesalbter Führer des amerikanischen Volkes. Ein Satz von ihr wird immer wieder zitiert: «Nein zu Präsident Trump zu sagen, ist wie Nein zu Gott zu sagen.»

Moralpredigt im Zentrum

Angesichts dieses Lobpreises für den Präsidenten könnte man kurz vor den Wahlen erwarten, dass Whites Predigten durchsetzt sind von Lobeshymnen auf Trump. Aber auch beim dritten Besuch ihrer Kirche im ländlichen Apopka nordwestlich der Disney-Themenparks in Orlando, Florida, sprach White selten direkt von Trump.

Es sind moralisch-konservative Werte, die sie den Besucherinnen und Besuchern in ihrer Kirche nahelegt. In dem schmucklosen, höhlenartigen Lagergebäude aus Me­tall steht sie vor ihrem Telepromp­ter. Das Gebäude wirkt mit seinen fest installierten Kameras mehr wie ein Fernsehstudio als wie ein Sakralbau. Das dominierende Bild hinter White ist ­eine Projek­tion des Lo­gos der «City of Destiny», eines stilisierten Kreuzes inmitten von Stadt­gebäuden innerhalb eines C.

Die Familien und Gemeindemitglie­der sitzen schön im Abstand von zwei Metern gruppiert auf ihren in einem Halbkreis angeordneten Stühle. Eine Kamera zoomt White nahe heran, zeigt, wie sie mit ihren Fäusten aufs Rednerpult schlägt. Alle ihre Gottesdienste werden auf Youtube gestreamt.

Dritte Ehe mit Popstar

Immer ist ihr Ehemann mit von der Partie. Jonathan Cain, 70, greift in die Keyboardtasten und unterlegt die Predigten seiner Frau mit einem sanften Klangteppich. Cain hat in den 1980er-Jahren mit der Gruppe «Journey» Berühmtheit erlangt, seit 2014 ist er mit Paula White verheiratet. Für beide ist es die dritte Ehe.

Ihnen gefällt viel­leicht nicht alles an Trump. Aber er ist ein Verbünde-ter. Ich weiss, dass er ein Christ ist.
Paula White, geistliche Beraterin von Donald Trump

Ihre eigene Biografie hindert Pau­­la White nicht daran, mit ­einem ver­balen Trommelfeuer die Familie hoch­­zuhalten und jedes «Zusammenleben» vor der Ehe zu kritisieren. Dann kommt sie auf die beliebten Themen Homo­sexualität und Abtreibung zu sprechen. Bei der gleich­­geschlechtlichen Liebe handle es sich um Sün­de, sagt sie. Keineswegs seien schwu­­le und lesbische Menschen «so geboren worden».

Jubel im Gottesdienst

Ihre Aufrufe zu einem rechtschaffenen Lebensstil werden mit lautstarken «Amen»-Rufen oder sogar mit Jubel und Applaus begrüsst. Die Anbeter springen auf und wiegen sich mit ausgestreckten Armen wie Bittsteller – oder manchmal wie Fuss­ballfans, die ein Tor feiern. In jeder ihrer Predigten ermahnt White ihre Anhänger: «Kämpft für eure Söhne, eure Töchter, eure Frauen und eure Häuser.»

Natürlich weiss sie, dass ihre Appelle nicht ganz zu ihrem Lebenslauf passen. Deshalb macht sie ­ihre eigene Biografie zum Thema. Arm sei sie in Tupelo, Mississippi, gebo­ren worden, aufgewachsen in ­einem Wohnwagen. Ihr Vater habe Selbstmord begangen, ihre Mutter sei als Alkoholikerin an der Flasche gehangen. Als Kind sei sie misshandelt und sexuell missbraucht worden. Sie habe gesündigt und sich zweimal scheiden lassen.

Wie sie in ihrer Predigt am Sonntag, 11. Oktober, sagte: «Es schien, als hätte man mich hier auf dieser Welt nicht erwartet. Ich war auf dem Weg in die Sucht oder ins Gefängnis.» Aber Gott griff ein, machte sie zur wohlhabenden, einflussreichen Predigerin. Ihr Leben sieht sie als Beweis des von ihr verkündeten «Wohlstandsevangeliums».

In ihrer Wohlstandstheologie ver­bindet sich Geld mit wahrem Glauben. Paula White erinnert an die Christenpflicht, den Zehnten des Brut­toeinkommens zu geben. Sicher, dies sei eine freiwillige Spende – eine Spende aber, die Gott um ein Vielfaches zurückzahlen werde. Um zur Spendenfreudigkeit zu ermuntern, liest die Predigerin E-Mails oder SMS-Botschaften von Gläubigen vor, deren materielles Leben sich aufgrund ihres Glaubens verbessert hätte.

Und wo bleibt Präsident Trump? In ihrer Predigt erwähnt sie ihn selten. Beinahe entschuldigend sagt sie: «Ihnen gefällt vielleicht nicht alles an ihm. Aber er ist ein Verbündeter. Ich weiss, dass er ein Christ ist.» Indes ist es bestimmt kein Zufall, dass White die letzten Monate aus den biblischen Büchern Esra und Nehemia predigte.

Schutzschild Trump

Denn dass der israelitische Priester Esra aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehren konnte, ver­dankte er dem Perserkönig Kyros, der Babylon besiegte und die Juden wieder in ihre Heimat ziehen liess. Mit dem Herrscher Kyros vergleichen Evangelikale wie Frank Graham gerne Donald Trump. Er steht für die Parabel, dass auch ein Nichtgläubiger zum Werkzeug Got­tes werden kann.

Und dass der Reformer Nehemia Jerusalem wieder aufbaute, passt zur Nahostpolitik des Präsidenten. Daraus folgt: Wie die gedemütigten Juden vor 2400 Jahren jahrhundertelang unter der babylonischen Herr­schaft litten und schliesslich in Jerusalem neu beginnen konnten, so dürfen heute die an den Rand gedrängten evangelikalen Christen in den USA unter ihrem Beschützer Do­nald Trump wieder aufatmen.

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