Die Suche nach einzelnen Taten und grossen Zusammenhängen

Missbrauch

Die katholische Kirche in der Schweiz will ihre Geschichte der sexuellen Ausbeutung aufarbeiten. Ab März 2022 soll die Universität Zürich das Projekt angehen.

«Der Auftrag ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Aufarbeitung der Thematik des sexuellen Missbrauchs im Kontext der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz», heisst es in einer Medienmitteilung vom 6. Dezember.

Die Schweizer Bischofskonferenz, die Konferenz der Vereinigung der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens und die Römisch-katholische Zentralkonferenz der Schweiz informieren, dass sie ein Forschungsteam des Historischen Seminars der Universität Zürich beauftragt haben, die Geschichte der sexuellen Ausbeutung im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu erforschen. «Eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist in erster Linie den Opfern geschuldet – auch um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen», so die Medienmitteilung.

Individuelle und systematische Ursachen auf den Grund gehen

«Die unabhängige, wissenschaftliche Erforschung soll Transparenz schaffen und der Kirche in der Schweiz helfen, sich den eigenen Defiziten zu stellen und die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen», sagt der Churer Bischof Joseph Bonnemain gemäss Mitteilung. Er ist innerhalb der Bischofskonferenz verantwortlich für das Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld».

Er legt den Fokus auf eine historische Untersuchung, weil er davon ausgeht, dass es Ursachen gibt, die in der Struktur der Kirche begründet sind: «Alles deutet darauf hin, dass es für die Übergriffe im kirchlichen Kontext nicht nur individuelle, sondern auch systemische Ursachen gibt. Es interessieren nicht nur einzelne Taten, sondern die grossen Zusammenhänge.»

Alles deutet darauf hin, dass es für die Übergriffe im kirchlichen Kontext nicht nur individuelle, sondern auch systemische Ursachen gibt.
Joseph Bonnemain, Bischof in Chur

Mit dem Pilotprojekt wurden die Historikerinnen Monika Dommann und Marietta Meier der Uni Zürich beauftragt. Sie stellen das Forschungsteam zusammen und legen den Zeitplan fest. Das einjährige Projekt beginnt im Frühling 2022. Gemäss Vertrag wurde ein Kostendach von maximal 377’000 Franken vereinbart.

Im Zentrum der Studie stehen die Strukturen, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen und Erwachsenen ermöglichten und es erschwerten, diesen aufzudecken und zu ahnden. Dabei werden alle Sprachregionen in den Blick genommen.

Ein Beirat sichert die Unabhängigkeit der Projektes

Laut Vertrag verfolgt das Projekt zwei Ziele: Erstens soll geklärt werden, welche Quellen existieren und zugänglich gemacht werden. Zu diesem Zweck werden unter anderem Opferorganisationen und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen kontaktiert. Zweitens sollen mögliche Fragestellungen und Methoden für weitere Forschungsprojekte vorgeschlagen werden.

Nach Abschluss des Pilotprojekts werden die Ergebnisse in einem Bericht festgehalten. Dabei sei zu benennen, welche Unterstützung die Institutionen der katholischen Kirche bei der Informationsbeschaffung und dem Zugang zu Archiven, Akten und Zeitzeugen geleistet haben. Ein von der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte ernannter wissenschaftlicher Beirat soll die wissenschaftliche Qualität und die Unabhängigkeit des Projektes sichern.