Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre Albert Anker (1831–1910) nicht Maler, sondern Pfarrer geworden. Und ausgerechnet ein Theologieprofessor erwirkte beim Vater Samuel Anker, dass sein Sohn das Studium zugunsten seiner Leidenschaft abbrechen durfte. «Er fand immer, Pfarrer zu werden, sei nicht seine Bestimmung», sagt Matthias Brefin, Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Albert-Anker-Haus in Ins und Pfarrer im Ruhestand. Albert Anker war sein Ururgrossvater. Trotzdem habe die Theologie Anker bis ins hohe Alter interessiert. Dementsprechend blieb denn auch seine Kunst davon nicht unberührt.
«Die Familie Anker war stark bürgerlich-pietistisch geprägt», erklärt Brefin. Die Kirche im Dorf Ins im Berner Seeland, wo Anker aufwuchs und nach seinen Pariser und Reisejahren bis zu seinem Tod auch wohnte und arbeitete, sei stark von den hugenottischen Protestanten in Neuenburg beeinflusst gewesen. Dort besuchte Anker auch viele Jahre die Schule. Wenn er eine Taufe malte oder wenn auf dem Gemälde «Das Schulexamen» in der Schulstube eine Landkarte von Palästina an der Wand hängt, sind dies Zeugnisse seiner kulturell christlich geprägten Lebensumwelt.
Auf Augenhöhe mit allen
Doch die Art, wie Anker seine Motive darstellt, zeigt ein nicht nur oberflächlich christliches Bild. «Auffällig ist die immer würdevolle Darstellung der Menschen; darin drückt sich für mich das Christliche aus», sagt Kunsthistorikerin Kathleen Bühler. Anker müsse ein Mensch mit hohen ethischen Überzeugungen und einer ausgeprägten Demut und Bescheidenheit gewesen sein. Auch für Brefin ist der christliche Wert der Achtung des Menschen in der Kunst seines Vorfahren deutlich sichtbar.
Vor allem in seinen vielen Darstellungen von Kindern. «Für Anker waren Kinder nicht einfach kleine Erwachsene, die man drillen muss», sagt Brefin. Anker ging wortwörtlich auf Augenhöhe mit Kindern, wenn er sie malte. So etwa beim Porträt seiner zweijährigen Tochter Marie Anker. Dieses Bild ist in der aktuell im Kunstmuseum Bern laufenden Ausstellung «Lesende Mädchen» zu sehen, die Kathleen Bühler kuratiert hat. Frontal blickt das Kind die Betrachterin an und erscheint ihr damit ebenbürtig.