Nochmals zurück zur Gnade. Christoph Blocher, als Unternehmer hatten Sie Erfolg und verdanken diesen auch Ihrem Talent und Ihrem Fleiss.
Blocher: Auch wenn das stimmen sollte, könnte ich auch dafür nichts. Wir haben ja alles geschenkt bekommen. Ich wurde durch Zufall Unternehmer und hatte die Aufgabe 3000 Arbeitsplätze zu retten. Es ist gut rausgekommen, trotz meiner menschlichen Schwachheit.
Richtig, trotzdem gibt es andere, bei denen es nicht gut lief.
Blocher: Natürlich, darum hat man Gegensteuer zu geben. Aber verloren ist die Welt deshalb nicht. Wenn man sieht, was für ein «Chabis» in der Wirtschaft, im gesellschaftlichen Leben, aber gerade auch in der Kirche, auch in der grossen Politik, gemacht wurde und wird, müsste die Welt schon lange untergegangen sein. Doch sie besteht! Auf meinen morgendlichen Spaziergängen erlebe ich Albert Ankers Urteil: «Siehe, die Erde ist nicht verdammt». Ich lese in der Bibel, nicht weil ich fromm bin oder es werden will. Ich will die Wirklichkeit erfahren und zur Rechenschaft gezogen werden, und erfahre in der Bibel und im Leben, dass alles Gnade Gottes ist und die Menschheit nicht verloren ist. Diese Botschaft brauchen wir Menschen mehr denn je. Aber von morgens bis abends die Welt moralisch retten? Hier wird uns höchstens unsere Machtlosigkeit bewusst und man verzweifelt.
Stichwort moralische Anweisungen: Herr Berger haben Sie das Gefühl, dass die Kirche zu stark moralisiert und politisiert?
Berger: Die politische Einmischung der Kirche setzt auf den falschen Gedanken, dass nur das, was ich selber tue, konkret ist. Sie macht das Gute und die Güter zum Handlungsziel und den Menschen zum Verwirklicher der guten Welt. Dabei übersieht man, dass die Welt bereits gut ist, weil sie vom Schöpfer schon gut geschaffen worden ist. Unser menschliches Denken, Handeln und Tun soll der von Gott realisierten Güte der Welt entsprechen. Stattdessen zerstören wir, was gut ist, und verwandeln das Gute in Müll und Chaos. Dieser ruinöse Weltbezug ist das ökologische und eigentliche Problem.
Wie kann ich das verstehen?
Berger: Barth sagt: Was die Welt dringend braucht, ist die revolutionäre Erkenntnis, dass die Menschenwelt durch die Liebe Gottes davon befreit ist, das Heil selber zu schaffen. «Heil» heisst: versöhnt sein mit Gott, den anderen Menschen und mit sich selber. Und diese Versöhnung ist in Jesus Christus verwirklicht. Darum ist es die alleinige Aufgabe der Kirche, das Handeln Gottes am Menschen verständlich zu machen, dass wir zwar de facto gottlos leben, aber nicht verloren sind. Gott lässt uns nicht im Stich, obwohl wir ihn immer wieder im Stich lassen, er bleibt seiner Schöpfung treu. Das ist die Botschaft des Evangeliums. Und aus dieser frohmachenden Botschaft heraus ergeben sich die Antworten auf die sozialen Aufgaben und zwischenmenschlichen Herausforderungen von selbst.
Wie meinen Sie das?
Berger: Wer aus diesem Glauben an Jesus Christus, den Heiland und Retter, den Versöhner und Erlöser lebt, wird andere Menschen als Mitmenschen und die Schöpfung als Geschenk Gottes achten. Er erkennt, dass wir als Geschöpfe zusammen in Beziehung zu Gott leben. Diese Botschaft hat eine ungeheure politische Wirkung. Wenn die Kirche jedoch politisiert, dann bleibt sie wirkungslos.
Blocher: Die christliche Botschaft als solche hat ungeheure politische Wirkung. Aber nicht, indem man sich unter dem Talar als Politiker aufspielt.