Pippi Langstrumpf und die Bleistiftschrift in der Bibel

Schlusspunkt

Was schreiben, wenn es zum Schreien ist? Manchmal helfen eine Notiz in der Bibel, Pippi Langstrumpfs Blick in den Himmel und Engel, die in den Herzen ein Adventslicht anzünden.

Auf der Suche nach einer Idee tigere ich in der Wohnung umher. Ich nehme das Smartphone in die Hand, scrolle mich durch die Schlagzeilen. Die Intensivstationen schlagen Alarm, die Politik streitet um die Impfpflicht.

Ich stehe auf, nehme die Zeitung vom Stapel und lese von Flüchtlingen, die durch Wälder irren und zu erfrieren drohen, von den politischen Häftlingen in Belarus und in der Türkei.

Ich setze mich wieder, mein Blick verliert sich im grauen Himmel vor meinem Fenster. Worüber ich schreiben soll, weiss ich noch immer nicht. Ich weiss nur: Es ist zum Schreien. 

Wenn die Verzweiflung graut

Ich nehme eine Bibel aus dem Bücherregal und schlage sie auf. Manchmal sprechen mich Verse unverhofft an. Oder sie irritieren mich. Auch das kann helfen. Ich bleibe auf der Umschlagseite hängen. In schon unsicher gewordener Bleistiftschrift steht ein aus der Not einer schweren Krankheit formuliertes Gebet in sechs Worten: «Dein heiliger Engel sei mit mir.» Ich habe die Stimme dazu im Ohr, sie ist längst verstummt. 

Engel habe ich nötig. Engel, die den Würgegriff der Angst lockern, meinen Glauben stärken. Den Adventsglauben, dass Gott tatsächlich in die Welt gekommen ist, um Schwäche zu zeigen, wo Härte zählt, und Trost zu spenden, wo Verzweiflung graut. 

Doch noch Weihnachten

Als Pippi Langstrumpf ins Kinderheim gesteckt werden soll, weil sie keine Eltern habe, sagt sie trotzig: «Sehr wohl habe ich Eltern.» Ihr Vater sei auf einer Südseeinsel, die Mutter im Himmel. Mit der Mutter spricht sie in meiner Lieblingsfolge, die ich mit den Kindern schon hundertmal angeschaut habe.

Während die Familien der kleinen Stadt Weihnachten feiern, ist Pippi allein. Traurig blickt sie in die Sterne. Der Mutter aber sagt sie, sie solle sich keine Sorgen machen. «Mir geht es gut.» Indem Pippi mit der Mutter spricht, spricht sie sich Mut zu. Schon stürmen die lärmenden Kinder den Garten. Nun wird doch noch Weihnachten.

Kraft der Liebe

Vielleicht werden liebe Verstorbene manchmal ja wirklich zu Engeln, die mir den Weg leuchten mit einer hinterlassenen Notiz, die mir zufällt, mit Worten und Gesten, an die ich mich erinnere, kraft der Liebe, die den Tod überdauert. Mein Blick fällt auf den Adventskranz. Ich zünde die Kerzen an.

Vor dem ersten Advent war Ewigkeitssonntag. Das Licht, das in den Kirchen für die Verstorbenen angezündet wurde, geht auf im Adventslicht. Trauer und Dankbarkeit, Angst und Zuversicht, Weinen und Lachen sind aufgehoben in der Gewissheit, dass Engel mich begleiten.

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