Keine Gottesdienste in der Kirche, Seelsorge per Telefon

Coronavirus

In Zeiten des Notstandes leisten Kirchenmitarbeitende vermehrt praktische Unterstützung, etwa beim Einkaufen oder der Kinderbetreuung.

Schulen, Restaurants, fast alle Geschäfte sind geschlossen. Die Schweiz steht still, seit der Bundesrat am Montag den Notstand erklärt hat, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Die Einschränkung treffen auch das religiöse Leben. Gottesdienste finden nicht mehr statt, einzelne Gemeinden übertragen Predigten über Live-Stream. So hat zum Beispiel die reformierte Kirchgemeinde Männedorf ihren Internetauftritt bereits angepasst. Pfarrer Achim Kuhn bietet seine Predigt «Hoffnung in der Corona-Krise» schriftlich und als Mp3-Datei an.

Taufen, Trauungen und Konfirmationen werden verschoben, wie der Kirchenrat der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich in seinen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus mitteilte. Auch kirchliche Veranstaltungen müssen abgesagt werden, ob Bibelkreis, Vortrag, Konzert oder Ferienlager.

Tragisch für die Hinterbliebenen sind die Einschränkungen bei Todesfällen: Beerdigungen werden zwar weiterhin durchgeführt, allerdings nur noch in kleinem familiären Kreis. Für Kinder fällt nicht mehr nur der normale Schulunterricht aus, auch der religionspädagogische Unterricht ist gecancelt. Allerdings gibt sich die Kirche kulant: Die verbindlichen Veranstaltungen gelten als besucht und müssen von den Kindern nicht nachgeholt werden. 

Die Kirchen bleiben offen

Als einen «grossen Vertrauensbeweis» wertet der Kirchenrat die Erlaubnis des Bundesrates, die Kirchen weiterhin offen zu lassen. Dies empfiehlt er auch den Kirchgemeinden, um den Menschen die persönliche Andacht weiterhin zu ermöglichen. Allerdings müssten die Gemeinden sicherstellen, dass sich Gläubige nicht spontan in den Räumen zu Veranstaltungen träfen. 

Trotz der weitgehenden Einschränkungen will der Rat ein spirituelles Zeichen setzen. Die Kirchenglocken dürfen am Sonntag weiterhin zum Gottesdienst rufen – im Sinne einer «Versammlung im Geiste», heisst es. Die Massnahmen wirken sich stark auf den Berufsalltag von Pfarrpersonen und weiteren Kirchenmitarbeitende aus. Pfarrer und Pfarrerinnen dürfen Seelsorgegespräche nur noch in Ausnahmen persönlich führen. Die Gespräche sollen primär über das Telefon oder elektronische Medien erfolgen. In den Spitälern mit eigenem Pfarramt sind nur noch die zugewiesenen Pfarrpersonen seelsorgerisch tätig.

Gerade die Senioren gehen sehr unterschiedlich mit der Situation um, die einen sind extrem verängstigt, andere ignorieren noch den Ernst der Lage.
Pascal Mueller–Born, Betriebsleiter Kirchenkreis 3

Wie auch viele andere Arbeitgeber fordert die Kirche ihre Angestellten zum Homeoffice auf. Doch auch die Aufgaben ändern sich: Statt Eltern-Kind-Singen, Jugendtreffs oder Seniorenkreise zu leiten, leisten Sozialdiakone und Pfarrpersonen vermehrt Krisenhilfe.

Die Stadtzürcher Kirchenkreise 3 und 9 schalten unter der Telefonnummer 044 465 4515 eine Helpline auf, bei der sich Menschen melden können, die jemanden zum Reden oder praktische Unterstützung benötigen, etwa beim Einkauf oder dem Hüten der Kinder. «Viele Menschen brauchen jetzt ein offenes Ohr. Gerade die Senioren gehen sehr unterschiedlich mit der Situation um, die einen sind extrem verängstigt, andere ignorieren noch den Ernst der Lage», sagt Pascal Mueller – Born, Betriebsleiter vom Kirchenkreis 3. Sein Team telefoniert derzeit sämtliche älteren Kirchenmitglieder ab, um die Bedürfnisse der Menschen abzuholen. 

Menschliche Nähe trotz Notstand

Für Hilfe in praktischen Belangen arbeitet die Helpline auch mit der Initiative «Solidarität für Zürich» der Jungen Kirche Zürich zusammen. Sie vermittelt auf ihrer Plattform und über Facebook Menschen, die Hilfe benötigen mit freiwilligen Helfern, etwa fürs Einkaufen, die Kinderbetreuung oder das Ausführen von Hunden. Innerhalb von vier Tagen ist die entsprechende Facebook-Gruppe, gegründet von Sozialdiakon Simon Brechbühler, auf rund 200 Mitglieder gewachsen. 

Ähnliche Angebote gibt es auch ausserhalb der Stadt, etwa in Stäfa. Dort bieten Mitarbeiter der Kirche  praktische Unterstützung an. Zudem haben sich Pfarrpersonen und Kirchgemeindeleitung Möglichkeiten überlegt, um trotz des Notstandes Nähe zu schaffen. So sollen etwa die Konfirmanden an dem Nachmittag, an dem normalerweise der Unterricht stattfindet, einen älteren Menschen aus der Familie oder dem Freundeskreis anrufen. Geplant ist auch die Verteilung von 400 «Ermutigungsrosen» an Senioren und weitere Personen - unter Einhaltung der Hygienebestimmungen. Den Chorraum der Kirche will das Pfarrteam mit biblischen Figuren ausstatten. Auf diese Weise solle ein liturgisch geprägter Raum entstehen, der Möglichkeiten zu rituellen Symbolhandlungen bietet, so Pfarrer Michael Stollwerk.

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