Stadtmission will Aussetzung aufenthaltsrechtlicher Auflagen

Coronavirus

Die Zürcher Stadtmission warnt, dass in der Corona-Krise Ausländerinnen und Ausländer aus Angst um ihren Aufenthaltsstatus auf Sozialhilfe verzichten. Die Politik müsse handeln.

60 bis 70 Personen kommen normalerweise täglich ins Café Yucca in der Zürcher Altstadt. Um sich aufzuwärmen, etwas zu essen und vor allem für Gespräche. Es ist ein Kommen und Gehen. In der Corona-Krise kommen nun weniger Gäste, doch ruhiger ist es deshalb nicht geworden. Im Gegenteil. Wegen der Hygienevorschriften des Bundes zur Corona-Prävention dürfen sich nicht mehr als 15 Personen im Yucca aufhalten. Die Gäste sollten das Café nach einer gewissen Zeit wieder verlassen, um anderen Hilfsbedürftigen Platz zu machen. Deshalb werden die Aufenthaltszeiten kürzer und die Betreuung anspruchsvoller.

Wiederholen und überzeugen

In der Corona-Krise werde das Angebot «beinahe täglich bedürfnisorientiert angepasst», sagt Beatrice Bänninger, Geschäftsführerin der Zürcher Stadtmission, auf Anfrage. Das Café Yucca schliesst neu bereits um 18:30 Uhr. Das Abendessen wird am Mittwoch, Samstag und Sonntag als Take-Away-Mahlzeit abgegeben. Um das Gesprächsangebot aufrechtzuerhalten, wurde ein täglicher Telefondienst bis 20 Uhr eingerichtet.

Von den Gästen die Einhaltung der Vorsichtsmassnahmen wie regelmässiges Händewaschen und Abstandhalten einzufordern, sei sehr anspruchsvoll, sagt Bänninger. «Da braucht es viel Überzeugungsarbeit und viele Wiederholungen.» Viele Gäste haben psychische Probleme, sind einsam oder arbeitslos. Einige kämpfen mich Suchtproblemen: Alkohol, Drogen, Spielsucht.

Lieber im Wald als im Hotel

Damit in der Krise niemand auf der Strasse landet, suchte die Stadtmission fieberhaft nach Unterkünften. Inzwischen hat sie rund zehn Personen im Hotel Sonne im Zürcher Kreis 4 untergebracht. Die Nachfrage ist weniger gross als erwartet. Manche Obdachlose ziehen den Wald der Enge des Hotelzimmers vor.

Nach der Krise steht für die Betroffenen kein Arbeitgeber bereit, der ihnen gleich wieder eine Stelle gibt.
Beatrice Bänninger, Stadtmission

Übernachtungsgutscheine werden vor allem Sexarbeiterinnen ausgestellt, die von der Isla Victoria beraten werden. Hier werden Sexarbeitende von der Stadtmission in Gesundheits- und Lebensfragen, bei Finanzproblemen sowie bei Rechtsfragen unterstützt. Wegen der Pandemie mussten der Mittagstisch sowie die Deutschkurse gestrichen werden. Abgesehen davon bleibt die Isla Victoria aber weiterhin offen.

Warten auf die Abreise

Unmittelbar nach den vom Bundesrat angeordneten Massnahmen herrschte in der Isla Victoria Hochbetrieb. Die Stadtmission riet den Frauen, in ihre Heimatländer zu reisen und unterstützte sie dabei, die Flüge zu buchen. Umso wichtiger war es, dass sie während der Wartezeit im Hotel Sonne untergebracht werden konnten. Viele durften vorerst auch in den Etablissements bleiben und landeten deshalb nicht auf der Strasse. Die Lage könne sich jedoch rasch wieder verschlechtern, sagt Bänninger. Deshalb ist sie froh, dass im wegen der Corona-Krise fast leeren Hotel Sonne noch genug Platz ist.

Grössere Sorgen als über die Unterbringung macht sich Bänninger inzwischen wegen der aufenthaltsrechtlichen Probleme für diejenigen, die in der Schweiz bleiben. Im Kanton Zürich kann der Aufenthaltsstatus von Personen ohne Schweizer Pass herabgestuft werden, wenn sie in die Sozialhilfe abrutschen und die bezogene Fürsorge einen gewissen Betrag überschreitet. Im Extremfall droht die Ausweisung. «Aus Angst vor einer Verschlechterung des Aufenthaltsstatus verzichten viele Menschen, die wegen der Corona-Krise ihr Einkommen verloren haben, auf die Sozialhilfe», sagt Bänninger. Ihnen brechen jegliche Einkünfte weg.

«Die Politik muss handeln»

Die Stadtmission fordert, die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen beim Bezug von Sozialhilfe auszusetzen. Die Massnahme sei über das Ende der Corona-Massnahmen hinaus nötig, betont Bänninger. «Denn nach der Krise steht für die Betroffenen kein Arbeitgeber bereit, der ihnen gleich wieder eine Stelle gibt.»

Die Geschäftsführerin der Zürcher Stadtmission sieht dringenden politischen Handlungsbedarf. Noch hat sie es aber nicht geschafft, gemeinsam mit anderen Hilfswerken einen Vorstoss zu lancieren oder einen offenen Brief zu formulieren. Zu tief steckt die Stadtmission zurzeit im Krisenmodus und ist damit beschäftigt, die alltäglichen Corona-Probleme der notleidenden Menschen zu lösen.

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