Erinnerungen an fröhliche Feste wecken

Gesang

Die ältere Generation kennt noch viele gemeinsame Lieder auswendig. Und singt sie gern weiter. 

Hans Egli trifft mit dem Hauswart Vorbereitungen für das monatliche Singcafé im Zürcher Kirchgemeindehaus Oberstrass. «Singen ist gesund», sagt er nebenbei. Man atme bewusst, nehme eine gute Haltung ein, und das gemeinsame Üben sei auch eine soziale Aufgabe. 

Der 82-Jährige war bis zur Pensionierung Musiklehrer an der Kantonsschule Bülach und Organist an der Kirche Oberstrass. Oft seien die Lieder für ältere Menschen zu hoch geschrieben. Er setzt sie tiefer an. 

Mein Mann ist am Abend nach dem Singcafé ein anderer Mensch. Er kommt aus sich heraus, und er spricht.
Ehefrau eines Singenden mit Demenzerkrankung

Was ihn besonders freut, sind die Rückmeldungen, die er meistens von Frauen von an Demenz erkrankten Männern erhält: «Mein Mann ist am Abend nach dem Singcafé ein anderer Mensch. Er kommt aus sich heraus, und er spricht.»

Überraschende Klangfülle 

Die Stuhlreihen vor der Bühne füllen sich, während die 83-jährige Alicia Baer auf dem Akkordeon spielt. Roland Hürlimann stimmt mit der Gitarre ein. Dann startet das Singen mit dem Beresina-Lied in überraschender Klangfülle, angeleitet und begleitet von Egli am Klavier. 

Es bleibt traditionell. «Là-haut sur la montagne», «Lustig ist das Zigeunerleben», «Oh bella Verzaschina», der Kanon «Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang». 

Singen lässt im Langzeitgedächtnis Erinnerungen an Kinderlieder, an fröhliche Feste anklingen.
Monika Hänggi, Sozialdiakonin

Das Niveau ist hoch, obwohl die Veranstaltung keine Chorprobe ist, sondern sich einfach nur 40 bis 60 ältere Menschen einmal im Monat zum Singen treffen. «Wir können die Lieder auswendig, sind mit ihnen aufgewachsen», meint ein Sänger. «Beim Abtrocknen mit der Mutter, in der Schule, in der Pfadi.» 

Das Gehör sei der letzte Kanal, der bei einer Demenz abgebaut werde, sagt Sozialdiakonin Monika Hänggi. Gemeinsam mit der Spitex Zürich hat sie den Anlass initiiert. «Singen lässt im Langzeitgedächtnis Erinnerungen an Kinderlieder, an fröhliche Feste anklingen.» Schön findet sie, dass kaum auszumachen ist, wer von der Anwesenden von Demenz betroffen ist.

Der Tanz im Rollstuhl 

Eine Stunde Singen, eine Stunde Beisammensein und eine weitere Singstunde ist das Programm. Die Tische sind hübsch dekoriert, es duftet nach Kaffee und Apfelkuchen, den Spitexlernende gebacken haben und nun servieren. Die Stimmung ist warm, es wird viel gelacht. 

«Singen tut mir einfach gut», sagt eine Dame. Ohne ein gewisses Training werde ihre Stimme immer rauer. Sie freue sich jedes Mal auf das Singcafé, auch wegen des feinen Kuchens und des herzlichen Empfangs, sagt eine andere.

Einig ist sich die Runde, dass es keine Rolle spielt, wer dement ist und wer nicht: «Ein unnötiges Etikett.» Vor dem nächsten Singen spielt Alicia Baer am Akkordeon auf. Fröhlich wird getanzt. Der Begleiter einer Dame im Rollstuhl dreht sie beschwingt im Kreis.