Schwerpunkt 29. November 2024, von Isabelle Berger

Die Stimme ist ihr Werzeug

Gesang

Fällt Selina Batliners Stimme aus, hat sie ein Problem: Sie ist Profisängerin und braucht ihr Instrument.

Eigentlich hätte Selina Maria Batliner an diesem Novembermorgen mit ihrer Korrepetitorin das Weihnachtsoratorium üben sollen. Doch nun sitzt sie mit Thermosflasche und Taschentüchern auf einem Sofa in einem Übungsraum der Musikschule Bantiger in Bolligen. 

Die Sängerin ist erkältet und muss ihre Stimme schonen. Und das ausgerechnet vor der arbeitsintensiven Adventszeit. Wenn sie spricht, klingt sie heiser und kratzig. Kein Vergleich zu ihrem üblicherweise so warmen Sopran, der auf Aufnahmen zu hören ist und in dem sie sowohl klassische Musik als auch Chansons und selbst komponierte Stücke singt. 

Zu Hause verankert 

Batliner versucht, ihrem Körper derzeit möglichst viel Ruhe zu gönnen. Trotzdem hat sie die Noten immer dabei. Statt zu singen, setzt sie sich mit der Partitur und dem Text auseinander, hört sich Aufnahmen des Stücks an oder spielt sich Teile daraus auf dem Klavier vor. 

Man muss ehrlich zu sich sein und herausfinden, was einem guttut und was nicht.
Selina Batliner, Sängerin

«Ich bin überzeugt, dass ich das Stück auf diese Weise dennoch einstudieren kann», sagt sie. Im Winter steige halt das Risiko, krank zu werden. «Mit der Zeit lernt man zu akzeptieren, dass das passieren kann.» Ob Selina Batliner krank ist oder gesund: Ihre Stimme ist ihr Arbeitsinstrument. Ihm Sorge zu tragen, prägt jeden Bereich ihres Lebens. 

Auch die Psyche ist wichtig. Psychisch gesund zu bleiben, sei Arbeit in diesem Beruf, sagt die Sopranistin. «Man muss ehrlich zu sich sein und herausfinden, was einem guttut und was nicht.» Wichtig ist ihr, dass sie nicht nur aus dem Koffer lebt wie viele Berufskolleginnen. Oft hält sie sich deshalb in ihrem Zuhause auf. Die Verankerung stütze ihr «psychisches Gleichgewicht». 

Ein gefühlvolles Herz 

Wenn es ihr gut geht, kann sie auch beim Singen «alles geben». Das ist ihr Ziel, egal wie stark sich ein Engagement finanziell lohnt oder wie sehr es ihr persönlich zusagt. 

«Um Singen als Beruf auszuüben, muss man dafür brennen.» Batliner will bei ihren Auftritten Freude weitergeben. «Ich möchte die Menschen berühren und bewegen.» Sie sollen spüren, «dass sie ein gefühlvolles Herz haben». 

Als Kind war ich immer zu laut, jetzt bin ich froh um diese Energie, auf der Bühne brauche ich sie.
Selina Batliner, Sängerin

Selina Batliner hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Damit hat sich ihre Beziehung zum Singen vertieft, wie sie sagt. «Ich habe technisch viel mehr Möglichkeiten mich auszudrücken und damit ein grösseres Freiheitsgefühl beim Singen.» Singen ist für sie ein Ventil. «Als Kind war ich immer zu laut, jetzt bin ich froh um diese Energie, auf der Bühne brauche ich sie.» 

An diesem Morgen kann sie sich die Zeit zur Erholung nehmen und darf leise sein. Aber am nächsten Tag muss Selina Batliner wieder fit sein: Es steht die Probe der Solistinnen und Solisten für das Weihnachtsoratorium an.