Ich klimperte auf der Ukulele und summte Leonard Cohen, als Bigna sich auf die Tischkante schwang. «Chatrina sagt, du bist in der Krise.» Chatrina war Bignas Mutter. «Warum das denn? Ich bin mit meiner Ukulele ganz glücklich!» «Das meint sie ja: Du schreibst keine Bücher mehr!» «Wie oft muss ich es noch sagen: Bücher verkaufen sich nun mal nicht mehr.» «Ausserdem liest er noch seine Romane für den Podcast ein», verteidigte mich Renata, die Kondolenzkarten beantwortete. Wir hatten gerade meine Mutter beerdigt.
«Der ist gratis, oder?» «Nicht gratis, auf Spendenbasis.» «Und wie viel haben die Leute bis jetzt gespendet?» «Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit», antwortete ich. Renata war weniger diskret. «Bei bisher sechstausend Downloads gab es genau eine Spende von 30 Franken. Und dafür arbeitet er jetzt seit zwei Monaten eine Stunde täglich.» Bigna kicherte vor Schreck. «Trotzdem, aber die Leute mögen den Podcast», stellte ich klar.
«Und wovon lebt ihr?» «Na ja, da ist die Kolumne, und manchmal schreibe ich für die Bühne. Dazu kommt ein bisschen was aus den Ferienwohnungen.» Bigna sah drein, als wollte sie heulen. «Wieso ich hier bin: Was wünschst du dir dieses Jahr zum Geburtstag?» «Ein Gedicht wäre schön», sagte ich, denn Bigna wollte neuerdings Schriftstellerin werden, «bitte mit dem Wort ‹schgnögnöz›.» Das ist das Romanisch und heisst Schlendrian.
Sie sah mich aber nur traurig an. «Ich kann doch jetzt nicht mehr Schriftstellerin werden, Chatrina erlaubt das nie.» «Aber natürlich wirst du das», protestierte ich, «sag deiner Mutter, der russische Dichter Daniil Charms ist in einer Zelle verhungert, trotzdem sind seine Texte ein riesiges Geschenk an die Menschheit!» Renata lachte. «Vielleicht überzeugt sie das hier mehr.» Sie las von einer Trauerkarte ab: «Das einzig Wichtige sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen.» Bigna schüttelte den Kopf. «Bei euch verstehe ich immer nur Bahnhof. Aber sobald es warm wird, setzen wir uns vors Haus und singen. Und wenn die Leute nichts geben, trete ich sie in den Hintern. Ein Kind darf das.»