«Wir haben Post», rief ich. Bigna kam gleich gerannt. «Ich liebe Leserbriefe.» «Diesen wirst du vielleicht nicht lieben. Was wir über die Kolonnen röhrender Porsches vor unserem Haus geschrieben haben, hat Herrn L. gekränkt. Er hat selber einen Porsche und stellt erstens klar, dass er ihn gebraucht gekauft hat, zum Schnäppchenpreis von 30'000 Franken.» «Was will er damit sagen? Dass er nicht reich ist?» «Ich weiss nicht, reich müsste er schon sein. Er schreibt auch, dass er allein mit der Kirchensteuer, die er bezahlt, locker einen neuen hätte kaufen können.»
«Und wieso mag er unsere Kolumne nicht?» «Du hast darin Leute wie ihn einen Dummkopf genannt.» «Habe ich das?» Ich nickte. «Weil sie in ihrer Kiste im Stau stehen, statt die Natur zu geniessen. Herr L. betont jedoch, dass er die Natur sehr wohl liebe, dass er jede Woche mit dem Fahrrad durch den Wald fahre, das Rauschen des Laubes möge und das Gefühl, barfuss im Gras zu spazieren.»
Bigna sah mich mit grossen Augen an. «Ja, aber dann müsste er doch um so mehr verstehen, dass wir uns um unser schönes kleines Tal sorgen!» «Nicht wahr? Tut er aber nicht, in keiner Zeile. Im Gegenteil, er schreibt, dass jedes Auto die Umwelt kaputt macht, nicht nur die Porsches.»
Das Kind dachte nach. «Natürlich machen alle Autos die Welt kaputt. Aber die, die für nichts und wieder nichts auf den Piz Umbrail brettern und wieder runter, sind nun mal doch vor allem Porsches und Motorräder. Und die sind auch die lautesten.» «Herr L. findet, er sei nicht laut. Und er schreibt auch nur, dass er einen Porsche fährt. Den Piz Umbrail erwähnt er nicht.»
«Ach so.» Das Kind schwieg eine Weile, dann sagte es: «Vielleicht sollten wir uns bei ihm entschuldigen. Und ihn einladen, im Sommer eine Woche bei uns zu wohnen.» «Als Entschuldigung?» «Nein, damit er begreift, wie schlimm die Autos für uns sind. Alle Autos. Nicht nur die Porsches.» «Soll ich ihm das schreiben?» «Ja, bitte. Und wenn er mit dem Porsche kommt, will ich mal drin sitzen. Nur sitzen. Oder ein ganz kleines bisschen fahren.»