«Mama macht unser halbes Haus zur Ferienwohnung», erzählte Bigna heute. «Ja, wir bauen auch eine», sagte ich. «Wegen Corona verdiene ich als Schriftsteller fast nichts mehr, alle Lesereisen sind abgesagt. Aber die Unterländer kommen umso lieber.» «Meine Mama hat noch Arbeit, der Webstuhl steht jetzt einfach bei uns zu Hause. Und ich muss für die Wohnung mein Zimmer hergeben.» «Das tut mir leid. Aber dafür habt ihr etwas mehr Geld.»
«Ausserdem muss sie jeden Abend Essen austragen, weil Berto ihr nur dann das Geld für den Umbau leiht.» «Wer ist Berto?» «Der Koch im Alpina. Und ich bin dann mit diesen Unterländern allein.» «Ich kann ihr mein E-Bike leihen, dann hat sie schnell ausgetragen.» «Oh ja, da kann ich hinten drauf.» «Nein, hinten kommt das Essen drauf. Die Unterländer, die hochkommen, sind übrigens in der Regel sehr nette Leute.»
«Nett? Die sagen auf der Strasse nicht mal Bun di.» «Sagst du ihnen Bun di?» «Denen bestimmt nicht.» «Wie sollen sie es da lernen?» «Die lernen gar nichts, die sind immer gleich wieder weg und die Nächsten da.» «Nein, zu Zeiten von Corona ist das anders. Die machen hier Homeoffice.» Bigna zögerte: «Na schön. Aber bis die Ferienwohnung fertig ist, ist Corona vielleicht vorbei.» «Das wäre schön. Doch die Liebe der Unterländer zu den Bergen wird bleiben. Weil wir alles etwas ruhiger nehmen. Wenn Corona ist, gehen halt die Läden zu. Wenn die Lawine kommt, geht der Pass zu. Wenn im Sommer Dürre ist, wird die Ernte mager.»
Bigna kicherte: «Jetzt sagst du schon ‹wir›. Dabei wart ihr auch solche.» Dann stutzte sie: «Heisst das, die bleiben auf ewig, und ich habe nie mehr ein eigenes Zimmer?» «Oh, vielleicht baut ihr sogar ein neues Haus. Deine Mama verdient ja dann doppelt.» Bigna schüttelte den Kopf: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die bleiben. Mamas Webstuhl macht so einen Krach!» «Oh, das finden die bestimmt romantisch.» «Am Anfang vielleicht. Nicht, wenn sie bleiben.» «Stimmt. Aber bis dahin ist der Lockdown vorbei und der Webstuhl wieder in der Weberei.» «Und du wieder immer unterwegs», sagte Bigna traurig.