Heute klopft erstmals der Herbst an. Die Tage sind noch heiss, das Gras ist dürr, das Dorf surrt von forschen Wandervögeln. Doch in den Birken des Hofs versammelt sich der erste Schwalbenzug, die Wespen und Pferdefliegen werden gierig, und Bigna hat in den Nachbargärten welke Sonnenblumen geklaut, um einen Vorrat für die Wintervögel anzulegen.
«Weisst du, was ich am meisten vermissen werde?», fragte das Kind. «Eis essen», riet ich. «Falsch.» «Die Schlangenrutsche in der Badeanstalt.» «Falsch.» «Keine Hosen anziehen zu müssen.» «Dreimal falsch. Am meisten werde ich vermissen, dass alle so viel Zeit haben. Im Sommer eilt einfach nichts. Die Menschen sind geduldiger und gutmütiger. Wenn immer Sommer wäre, wäre sicher weniger Krieg. Erst wenn sie frieren, werden die Leute ungeduldig, geizig und grantig.»
«Mag sein», gab ich zu, «das ist aber auch so, weil die Nächte länger werden. Bei uns in den Bergen gleich doppelt, weil die Sonne länger hinterm Berg bleibt.» «Erinnere mich nicht dran», seufzte Bigna, doch gleich funkelten die Augen wieder. «Willst du auch wissen, was ich am Herbst liebe? A meine geringelten Strumpfhosen. B die Bratäpfel mit Äpfeln vom eigenen Baum. C kann ich schon fast wieder Weihnachtsgeschenke basteln und D mit euch backen, und E kommen die Hirsche bis in den Garten ...» «Und dann ist auch schon wieder Frühling», kürzte ich ab, bevor sie das ganze Alphabet durchnahm.
Bigna nickte. «Siehst du, sogar die Jahreszeiten haben es eilig, nur der Sommer nicht. Und was wirst du vermissen?» Ich dachte nach. «Den Geruch von frisch geschnittenem Gras. Im Garten zu essen, in flirrender Hitze, und es braucht nicht mehr als Melone und etwas Brot und Käse. Das Gefühl, wenn ich aus dem Wasser steige und die Glieder schwer vom langen Schwimmen sind.» «Und worauf freust du dich?» Diesmal dachte ich länger nach. «Mir fallen nur lauter dumme Dinge ein. Ich freue mich darauf, die Steuererklärung endlich hinter mich zu bringen.» «Falsch, völlig falsch», schimpfte Bigna, «Sag: Ich freue mich auf das Undenkbare. Das klingt wenigstens nach was.»