Bignas Nona ist im Badezimmer gestürzt und für einige Tage im Krankenhaus. Bigna und ich haben die Gelegenheit genutzt, die winzige Wohnung sauber zu machen, in der sie mehr haust als wohnt. Normalerweise darf das niemand tun, aber der Schreck über ihren Unfall war gross genug, dass sie matt nickte, als Bigna sagte: «Nona, bei dir zu Hause ist es so voll und finster, dass sogar ich stolpere. Lass mich ein bisschen ausmisten.»
Das geriet zum Abenteuer. Die Schränke waren vollgepfropft mit mottenzerfressenen Kleidern. Überall waren Dosen, Schachteln, Beutel mit Keksen, Schokolade und Bonbons versteckt, und in all diesen Dosen, Schachteln und Beuteln lebten Maden. Der Staubsauger war mit einer toten Maus verstopft.
Interessiert betrachtete Bigna die wimmelnden Larven. «Es ist fast, als wäre die Nona schon tot. Komm, bringen wir die Tiere auf den Friedhof.» Ich erschrak. «Das kann man nicht machen, das wäre pietätslos.» Doch Bigna hatte ihren Tierfriedhof gemeint. Hinter unserer Gartenmauer, unter einem buschigen roten Holunder, scharrte sie den Boden auf und legte die tote Maus hinein. Dann schüttete sie die Kekse mitsamt den Larven darüber, pflückte eine Handvoll Primeln und breitete sie über allem aus. «Bun appetit», wünschte sie den Maden, «bun viadi» der Maus und scharrte das Loch wieder zu.
«Das ist eine schöne Art, begraben zu werden», sagte ich. «Oh, wir sind noch nicht fertig.» Aus einer Ritze in der Mauer zog sie eine Streichholzschachtel, zündete ein Streichholz an und steckte es aufs Grab, dazu sang sie «Las glüminas sül prà», ein Lied über den Löwenzahn, das auf Deutsch etwa so geht: Kleine Lichter stehen auf der Wiese, die am Wegrand knipse ich aus. Sterne wehen übers Tal, wiegen sich im Himmelsblau, und tschüss. Nächsten Mai wächst daraus wieder etwas. Bis dahin wirst du Blumen sehen, die wie Gold die Frühlingswiesen überfluten.
«Wirklich, so möchte ich auch begraben sein», wiederholte ich. «Gilt», sagte Bigna, «aber vorher musst du mir helfen, das Loch zu graben.»