Auch gestern brannte die Sonne, die Luft flimmerte hochsommerlich, und nur die Glocken der Kühe erinnerten daran, dass der Alpabzug vorbei und es Herbst war. Bigna lachte einmal mehr über den Wetterbericht meines iPhone, der weismachte, wir fröstelten bei knapp zweistelligen Temperaturen.
Inzwischen hatte ich dafür die Erklärung: «Herr Kachelmann schreibt mir, dass es die Val Müstair für Google und Apple schlicht nicht gibt. Die Maschen ihres Wettermessnetzes messen zehn auf zehn Kilometer, ein schmales Tal wie unseres fällt da hindurch.» Bigna schnappte empört nach Luft: «Es gibt uns nicht? Wie soll das gehen?»
«Denk dir, du willst von hier nach Zürich laufen. Misst du auf der Landkarte die Luftlinie, kommst du auf hundertsechzig Kilometer. Misst du der Strasse entlang, wird der Weg immer länger, je genauer die Karte ist. Nimmst du die Höhenunterschiede dazu, wird er noch länger. Und während Herr Kachelmann das Wetter auf jedem Quadratkilometer misst, messen Google und Apple zum Beispiel nur auf dem Piz Umbrail und auf dem Ofenpass. Fragst du sie, wie bei uns das Wetter ist, nehmen sie von diesen beiden Stationen den Durchschnitt, weil sie auf ihrer groben Karte nicht sehen, dass wir kein Berg sind, sondern ein Tal.»
Bigna nickte nachdenklich. «Das ist, wie wenn ich sage, dass ich Paul blöd finde. Dabei ist er eigentlich nur blöd, wenn er sich ärgert, sonst ist er ganz nett. Und wenn er sich nicht ärgert und dazu noch in mich verliebt ist, ist er sogar sehr nett. Und verspreche ich ihm dann noch, dass ich ihn küsse, wenn er mich auf seinem Kickboard fahren lässt ...» «So ungefähr», unterbrach ich, um mir den Rest zu ersparen. «Oder wenn Mamma sagt, dass der Kompost stinkt. Dabei stinkt er eigentlich nur richtig fies, wenn wir Kartoffeln gegessen haben ...» «Genau so.»
«Ja, aber dann musst du denen von Apple und Google unbedingt schreiben, dass wir in der Val Müstair kein bisschen stinken und auch nicht blöd sind und sowieso viel, viel zu gut, um durch ihre doofe Masche zu fallen!»