Viele Menschen in unserem kleinen Tal haben ihre eigenen Bienen und führen untereinander einen freundschaftlichen Wettbewerb um den besten, reinsten, am schonendsten gewonnenen Honig.
Auch in unserem Garten steht ein Bienenhäuschen, aber das halten die Kinder besetzt, es dient ihnen als eine Art Baumhütte ohne Baum. Oder besser: Der Baum beugt sich schützend darüber. Es handelt sich um einen grossen, ausladenden Holunder, den wir gepflanzt haben, als wir hergezogen sind.
Jetzt, im siebenten Jahr, trägt er erstmals so reich, dass wir für ein ganzes Jahr Holunderblütengelee und Beerenmarmelade haben werden. Das liegt auch daran, dass wir endlich ein Mittel gefunden haben, die Vögel abzuhalten: gelbe Fähnchen. Die mögen sie überhaupt nicht. «Aber ist das gerecht?», fragte Bigna und wollte nicht einmal bei der Ernte helfen, «die Vögel leben schliesslich von Beeren.» «Wir doch auch», sagte ich, noch halb im Scherz. Doch Bigna mochte nicht lachen. «Die Vögel sterben, wenn sie keine Beeren essen. Die nona sagt, es gibt immer weniger Vögel im Tal.»
«Das mag sein», versuchte ich mich zu verteidigen, «aber ohne uns wiederum gäbe es den Holunderbaum nicht, und die Vögel hätten noch weniger zu fressen. Ein paar Beerendolden lassen wir nämlich immer am Baum.» «Ein paar Beerendolden», äffte Bigna mich nach, «das ist ganz und gar nicht gerecht!» «Aber du spielst doch auch gern im Häuschen, das eigentlich den Bienen gehört. Überlässt du es jetzt ihnen?» Bigna sah mich wütend an. «Meinetwegen. Wenn ihr dafür die Beeren am Baum lasst.» Ich pflückte fröhlich weiter, denn zweifellos hätte es Bigna das Herz gebrochen, das geliebte Bienenhäuschen herzugeben.
Eine Weile schwiegen alle. Dann fielen mir die buddhistischen Mönche ein, die ihr Kloster aufgaben, weil Bienen sich darin einnisteten und es unfromm gewesen wäre, sie zu bekämpfen.
Ich erzählte davon und fragte Bigna: «Hältst du das für gerecht?» In Bigna arbeitete es, sie schwankte. Dann endlich stieg sie mit einem Seufzer auf die Leiter und ging Renata und mir zur Hand.