Abdou Ngie hat es geschafft. Endlich. Bereits sieben Mal zuvor hat er ohne Erfolg versucht, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Jedes Mal wurde er Opfer der sogenannten «push backs» durch die libysche Küstenwache. Die Grenzwächter fingen ihn ab und brachten ihn gegen seinen Willen zurück nach Libyen.
Jetzt ist der Mann aus Gambia froh, so weit gekommen zu sein. An Bord des Rettungsschiffes «Sea-Watch 4» ist er zumindest sicher vor dem Zugriff der Libyer. «Seit Jahren habe ich zum ersten Mal wieder ohne Angst geschlafen.» Er danke Gott für sein Glück.
Ein Lied für die Besatzung
Obwohl Ngies Schlafplatz bloss auf dem Holzdeck des Rettungsschiffes zwischen Hunderten anderen Flüchtlingen ist, lacht und singt er. Eines Morgens präsentiert er der Besatzung ein Lied, das er über das Rettungsschiff unter deutscher Flagge gedichtet hat. Er bittet Gott um den Segen des Schiffs, das Menschenleben rette: «God bless Sea-Watch 4. Driving around and saving peoples life.»
Ngie hatte von vier Jahren in Libyen zwei «gute Jahre» erlebt, wie er sagt. Manchmal könne man in dem nordafrikanischen Land eben auch auf «wohlwollende Menschen» treffen. Mit ein wenig Putzarbeiten schlug sich der Gambier dort durch.
Eigentlich wollte er bleiben. Denn Nordafrika gilt unter den Ost- und Westafrikanern als Chance auf Arbeit und Geld. Dann jedoch geriet Ngie in den Strudel des Bürgerkriegs. Wie so viele Menschen dort drohten ihm Gewalt und Folter. «Wir werden von ihnen behandelt wie Sklaven, wir sind rechtlos», erzählt er.
Ngie verliess seine Heimat aus wirtschaftlicher Not. «Meine Familie ist sehr arm.» In Gambia verlegte er Böden, wenn es gut lief. Eigentlich wollte er noch länger zur Schule gehen. Aber weder dafür hatte er Geld, noch brachte sein Job genug ein.
2016 begann seine Fluchtgeschichte. Von Gambia in den Senegal. Dann über Mali nach Burkina Faso und weiter nach Niger. Dort war er für vier Monate, ehe er nach Libyen ging.
Am liebsten zu den Kühen
Wie viele Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffes verfügt Ngie bereits über einzelne Kontakte in Europa. Er würde gern in das Vereinigte Königreich oder in die Niederlande – «wegen der Kühe». Ngie mag Kühe. Deutschland, Österreich und Spanien hält er auch für «gute» Länder. Schliesslich hätten Menschen aus diesen Ländern ihn und andere gerettet.
«Sie haben uns Medizin gegeben.» Ob Abdou Ngie es je in eines dieser Staaten schaffen wird, ist freilich ungewiss.