«Sea-Watch 4» nimmt erste Gerettete an Bord

Seenotizen

Die Crew des Rettungsschiff hat am Samstagnachmittag sieben Menschen gerettet, die etwa 45 Seemeilen vor der libyschen Küste in internationalen Gewässern in Seenot geraten waren.

Das nicht seetüchtige, kleine Glasfaserboot wurde zuerst von einem kleineren privaten Rettungsschiff, der «Louise Michel», gesichtet. Nachdem ihre Crew die Situation stabilisiert hatte, erbat sie Unterstützung der «Sea-Watch 4», dem grösseren und besser ausgerüsteten Schiff. Als sich der Zustand zweier Passagiere des winzigen Bootes verschlechterte, wurden sie in einer Notmassnahme an Bord der «Louise Michel» gebracht.

​Blog Seenotizen

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Im August 2020 läuft das mit kirchlichen Spenden finanzierte Seenotrettungsschiff «Sea-Watch 4» zu seiner ersten Mission aus. Die «reformiert.»-Redaktorin Constanze Broelemann ist für reformiert.info und evangelisch.de an Bord und berichtet vom Schiff in ihrem Blog «Seenotizen».www.reformiert.info/seenotizen

Auch für mich war es das erste Mal, dass ich Menschen begegnete, die sich ohne Absicherung auf eine lebensgefährliche Reise nach Europa machten. Die Menschen, die ich sah, sind wie du und ich, sie hätten genauso gut in meiner Stadt leben können. Was treibt diese Menschen an, auf eine so gefährliche Reise zu gehen, frage ich mich?

Von weitem sehe ich auf dem Meer das Fiberglas-Boot, auf dem die Männer wohl die insgesamt 150 Seemeilen bis Europa auf sich nehmen wollten. Nicht einmal ein Drittel des Weges hatten sie geschafft, als wir sie auffanden. Doch schon zu dem Zeitpunkt waren sie von Hitze und Seekrankheit so geschwächt, dass sie das Boot nicht mehr selbst fahren konnten. Bloww zwei einfache Schläuche von Autoreifen dienten ihnen als Rettungsmittel. Teilweise ohne Kompass und Satellitentelefon begeben sich solche Flüchtenden auf die 270 Seemeilen (500 Kilometer) lange Reise nach Europa.

Kirchliches Engagement

Die Idee eines kirchlichen Seenotrettungsschiffs im Mittelmeer geht auf den evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 zurück. Finanziert wurde es vom Bündnis «United4Rescue». Im Januar 2020 ersteigerte das Bündnis das Schiff für 1,3 Millionen Euro, darunter 1,1 Millionen Euro Spendengelder des Bündnisses, dem mittlerweile über 500 Organisationen und Unternehmen angehören.Die Evangelische Kirche Deutschland hatte zu Spenden für das Schiff aufgerufen, bei denen sich auch die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Schweizer Bischofskonferenz beteiligten. Das ehemalige Forschungsschiff war am 20. Februar in Kiel getauft worden. Nach den ursprünglichen Plänen sollte das Schiff schon zu Ostern in See stechen. Dann machten aber die Einschränkungen wegen der Corona-Epidemie dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.Die «Sea-Watch 4» kann etwa 300 Flüchtlinge an Bord unterbringen. Bei akuten Notfällen können es für kurze Zeit aber auch bis zu 900 sein. 26 feste und ehrenamtliche Mitarbeiter aus mehreren europäischen Ländern sind auf den jeweils vierwöchigen Einsätzen dabei. Es wird auf dem Schiff unter anderem einen Schutzbereich mit 24 Betten speziell für Frauen und Kinder geben und eine Krankenstation, die zwei Behandlungsplätze umfasst.

Nach der «International Convention for the Safety of Life at Sea» (SOLAS), Artikel 33 einer UN-Konvention von 1974 zur Schiffsicherheit, ist der Kapitän eines Schiffes verpflichtet, Menschen in Seenot zu retten. «Dass die Geretteten in Seenot waren, war offensichtlich», sagt «Sea-Watch 4» Kapitän Stevan zu mir. Dass das kleine Fiberglas-Boot untauglich ist weitere 100 Seemeilen bis in einen europäischen Hafen zu schultern, ist sogar für einen Laien wie mich erkennbar. Neben vielen weiteren Punkten ist in dem Artikel 33 der SOLAS vermerkt, dass Kapitäne, die Menschen aus Seenot gerettet haben, diese an Bord möglichst human behandeln sollten.

Auch das «Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen» (UNCLOS) ist ein internationales Abkommen des Seevölkerrechts, das alle Nutzungsarten der Meere regeln soll, und es verpflichtet Kapitäne zur Rettung auf See. In Artikel 98 steht, dass der Kapitän angehalten ist jede Person, die auf See in Not ist, zu retten.

Zu meinem Erstaunen reagierte keine der angeschriebenen und angefunkten umliegenden Küstenwachen auf den Seenotfall. Die «Sea-Watch 4» hatte sowohl die italienische, die maltesische und die libysche Küstenwache informiert. Letztgenannte meldete sich irgendwann über Funk, dass die «Sea-Watch 4» doch ihren Kurs ändern und das Gebiet verlassen sollte. Eine Aufforderung, die der Küstenwache eigentlich nicht zusteht, da sich die «Sea-Watch 4» die ganze Zeit in internationalen Gewässern befand.

Irgendwann näherte sich dann von der Steuerbord-Seite ein graues Schnellboot und man versicherte mir: «Das sind sie», die libysche Küstenwache. Die Schiffe fuhren aneinander vorbei, während die Crews sich gegenseitig durch Ferngläser beobachteten. «Diese Schiffe finanzieren wir Europäer», sagte ein Crewmitglied zu mir, während die Libyer an uns vorbeifuhren.

Sea Watch

Sea Watch e.V. ist eine Non-Profit-Organisation, die zivile Such- und Rettungseinsätze im europäischen Mittelmeer durchführt. Der Verein fordert und forciert Rettung von Menschen durch staatliche europäische Institutionen. Sea Watch will sichere und legale Fluchtwege (#SafePassage) und Bewegungsfreiheit in offenen europäischen Gesellschaften, die sich zur Solidarität bekennen. Finanziert wird die Arbeit des Vereins ausschliesslich durch Spenden.

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