Eines Tages packte die Polizei Achille ohne Grund und verschleppte
ihn nach Niger. Das Ganze passierte viermal. Immer wieder brauchte
Achille zwei Wochen bis zu einem Monat, um das Geld zusammen zu bekommen und es zurück zu seiner Frau zu schaffen. Inwischen war der kleine
Gabriel Nathan auf der Welt. «Nach den Erfahrungen, wusste ich, wir
müssen hier auch weg», erzählt Achille. Ein Kameruner half dem Paar mit
dem zwei Monate alten Kind nach Adrar, einer Stadt im südlichen
Algerien, zu kommen.
Dort arbeitete Achille dann drei Monate lang, ehe die Familie nach
ihren Schilderungen wieder gekidnappt und nach Niger zurückgebracht
wurde. «Jetzt war mir endgültig klar: Wir müssen nach Libyen und
vielleicht nach Europa», erzählt er. Von Niger also machten sie sich auf an die algerisch/libysche Grenze. Das bedeutete, dass sie die Sahara zu durchqueren hatten. «Viele Menschen sterben bei dem Versuch», erzählt
mir Petronille. Die Familie brauchte vier Tage und wechselte zwischen
Autofahrten und Fussmärschen. Die Strecke der letzten Tage waren nur zu
Fuss zu bewältigen. Ausgestattet mit ein wenig Wasser und Nahrung
schafften sie es.
Bedroht und gefoltert
In Libyen wurden sie per Auto in die Stadt Zawiyya gebracht und lebten
dort in einer Community für Schwarze. Auch hier mussten Achille und
Petronille wieder weg, weil diese Community für Frauen verboten war. Zu
allem Leid wurde die Familie dann in Libyen von den sogenannten «Asma
Boys» gekidnappt. Das sind Kriminelle, die sich wie
Polizisten kleiden: Sie kidnappen Schwarze, stecken sie in Gefängnisse
und erpressen dann Geld von ihnen für ihre Freilassung. Achille,
Petronille und der kleine Gabriel Nathan wurdem in ein inoffizielles
Gefängnis in Sabrata in Libyen gesteckt. Dort wurden sie
gefoltert, Achille wurde der Arm gebrochen, sodass er bis heute nur
schwer etwas heben kann. Petronille und ihr Sohn bekamen ungekochte
Maccaroni oder gar nichts zu essen. Aßen sie das nicht, gab es Schläge.
Achille wurde zur Arbeit ohne Lohn gezwungen.
Eines Tages gelang es Achille auf seinem Weg zur Arbeit aus dem
Gefängnis zu fliehen. Ein Freund half ihm nach Zawiyya in eine Moschee
zu fliehen, in der er sich versteckte. «Ich hielt mich zwei Wochen lang
in der Moschee auf und hatte keinen Kontakt zu meiner Frau», sagt
Achille. Währenddessen verschlechterte sich der Zustand des kleinen
Gabriels im Gefängnis so sehr, dass man ihn und seine Mutter schließlich freiliess: «Ich habe in der Zeit so viel gebetet. Gott ist meine Hilfe», sagt Petronille. In Libyen konnte die Familie also auch nicht bleiben: «Dort schiessen sie grundlos. Einfach nur, weil du ein Handy besitzt und
sie es dir abnehmen wollen», erklärt mir Achille.
Er hörte von einem Freund aus Mali, dass es die Möglichkeit gibt für 500 libysche Dinar (etwa 307 Euro) einen Platz in einem Boot nach Europa zu bekommen. Bei dem Freund aus Mali konnte die Familie erstmal
untertauchen, um bei Freunden und Verwandten per Telefon das Geld für
die Überfahrt zu organisieren. Er brauchte knapp sechs Monate bis er das Geld beisammen hatte. Da Malier auch Arabisch sprechen, organisierte
der malische Freund die Plätze auf dem Boot für die Familie. «Auch auf
dem Boot habe ich immer gebetet, dass uns jemand rettet», sagt
Petronille. Wenn sie es nach Europa schafft, will sie gerne wieder in
ihrem alten Beruf als Altenpflegerin arbeiten. Achille will seine
Fähigkeiten als Automechaniker verbessern. Nach seinen Erfahrungen würde er einem Freund heute raten: «Geh nie nach Libyen».