In der sizilianischen Region Messina lebt Cisse Amirata, nachdem sie von der «Sea-Watch 4» ging. Wie viele andere wartet sie bang auf den Asylentscheid. Mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn Ali kam sie an Bord des Rettungsschiffes. Ihre Haut zeigt massive Spuren von Folter.
Die 27-Jährige wurde in einem libyschen Aufnahmelager mit Feuer und Scheren malträtiert. «Ich brauche eine gute medizinische Versorgung für meine Narben», sagt sie. Im Aufnahmelager auf Sizilen wird ihr diese Versorgung auch nicht zuteil, obwohl sie so gehofft hatte, dass man ihr in Europa helfen würde.
1340 Franken für die Überfahrt
Cisse kommt von der Elfenbeinküste. Ihre Familie lebte in Armut. «Ich sollte das ganze Geld für die Familie erwirtschaften», erzählt sie. Sogar zu Sex gegen Geld nötigte sie ihre Familie. Als sie gezwungen werden sollte, sich mit einem sechzigjährigen Mann zu verheiraten, damit die Familie Geld erhält, weigerte sie sich. Stattdessen heiratete sie einen Mann, den sie laut ihrer Familie nicht ehelichen durfte. Ihr Ausweg war die Flucht.
Schwanger floh sie mit ihrem Mann nach Libyen. In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ein häufiges Schicksal von subsaharischen Afrikanerinnen und Afrikanern erlitt auch das Paar von der Elfenbeinküste. Cisse und ihr Mann wurden in Libyen zum Freiwild. Milizen kidnappten sie, warfen sie in ein Gefängnis. Trotz der Schwangerschaft wurde sie gefoltert, sodass sie aufgrund der Verletzungen ins Krankenhaus musste.
Cisse Amirata wollte nur noch weg und organisierte sich einen Platz auf einem Gummiboot nach Europa. Diese Plätze kosten etwa 2000 libysche Dinar, rund 1340 Franken. Sehr viel Geld für sie und andere Fliehende. Der erste Versuch, das zentrale Mittelmeer zu überqueren, scheiterte. Die libysche Küstenwache fing das Boot ab.
Wieder kam sie ins Gefängnis. «Sie schlugen sogar meinen kleinen Sohn», sagt sie. Dann versuchten die drei erneut zu fliehen. Cisse und Ali schafften es. Ihr Mann wurde von den Libyern abgefangen und sei wohl bis heute in einem libyschen Gefängnis. Cisse Amirata hat keine Informationen zu seinem Aufenthalt.
Allein mit dem Kind
«Ich kannte niemanden, wusste nicht, was ich machen sollte», erinnert sich die 27-Jährige an die Zeit, als sie das libysche Gefängnis verlassen hatte. Ein Lybier habe ihr geholfen. Er schoss das Geld für einen Platz auf dem Gummiboot vor.
Diesmal schaffte sie es und gehörte mit Ali zu den Geretteten, welche die «Sea-Watch 4» aufnahm. Am liebsten würde sie nach Frankreich.